Arno Brandlhuber

n.b.k. und KOW

2012:Dec // Stephanie Kloss

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12-2012

















Eine Orchidee namens Arno
/ Der Architekt, die Stadt und die Kunst

Ende Oktober wirken die Länder-Pavillons der Architekturbiennale in Venedig traurig und verlassen. Das Wetter ist schön, das tiefe Sonnenlicht bricht diffus durch die Kulissen der Stadt.
Dunst steigt über der Lagune auf. Der deutsche Pavillon liegt nah dem Wasser. Der Haupteingang ist versperrt. Auf der Empore stehen rote Gartenbänke, ein Lichterkettenpfeil weist den Weg zum Seiteneingang. GERMANIA ist nur schemenhaft zu sehen. Das Ganze hat etwas Melancholisches, eine Anmutung eines Biergarten aus einem Fassbinderfilm.
Das Thema der Architekturbiennale ist „Common Ground“, vorgegeben von Generalkommissar David Chipperfield. Es gilt den Wert zu zeigen, den baulicher Bestand als Grundlage für unsere Gesellschaft darstellt, ihn wahrzunehmen und zu respektieren.
„Reduce/Reuse/Recycle“ ist das Thema des deutschen Pavillons. Einzelne Fotografien von Projekten sind großzügig im Innern an die Wände tapeziert, Alternativen zu Neubauten werden gezeigt, es geht um den Umbau des Bestehenden und die Verbesserung des Funktionierenden. Die Fototapeten zeigen Bauten vor allem der Nachkriegsmoderne: das renovierte Studentenwohnheim im Münchner Olympiadorf, den erweiterten Turm der Hochschule Darmstadt, Brandlhubers Atelierhaus in der Berliner Brunnenstraße und ebenso seine „Antivilla“ (mit Sauna) – eine Ex-Unterwäschemanufaktur aus DDR-Zeiten, die durch sparsame Gesten des Entfernens und Einreißens zum Wochenendhaus für Journalisten und Künstler umgestaltet werden soll. Reduziert im Gegensatz zu den benachbarten Pavillons gibt sich das Design von Konstantin Grcic: im Innern des Pavillons bewegt man sich auf den gleichen Stegen, die bei Hochwasser die überfluteten Gehwege der Stadt durchziehen.
„Wo bleibt da die Architektur?“ „Was für ein hässliches Bild von Deutschland zeigt Ihr?“ – Fragen, die das Unverständnis der Architekturjournalisten auf der Pressekonferenz zum Ausdruck brachten. Das Thema „Bauen im Bestand“ sei zwar politisch korrekt und sympathisch, andererseits wolle man auf dieser Bühne in Venedig ein Bild von Deutschland bestätigt sehen, das möglichst beeindruckend und repräsentativ sei.
Welches Bild ist damit gemeint: all die City Gardens, Lux, Pucks, yoos, Astorias und Castles?
Arno Brandlhuber ist ein Architekt, der sich mit diesem Bild sehr genau auseinandersetzt. Es geht ihm eindringlich darum, die verheerende Berliner Liegenschaftspolitik aufzuzeigen. Berlins gegenwärtiges Großprojekt sei nicht Schloss oder Schönefeld, sondern die 30.000 bezahlbaren Wohnungen, die in der Stadt in den nächsten fünf Jahren gebaut werden müssten.

Er hat ein Jahr lang Zeitungsartikel zum Thema gesammelt und nachgedruckt. Dieser Reader liegt nun zum Mitnehmen in drei parallelen Ausstellungen, die den Architekten als Künstler im Herbst in Berlin zeigen.
Schwarze Wände, dekorative Zementlachen am Boden, Stalakmiten aus Beton bis zur Decke und Spiegelwände lassen den Showroom des n.b.k. schick aussehen.
„Archipel“, so der Titel der Show, sei eine abstrakte Visualisierung von Berlin als Ganzem, bestehend aus vielen Inseln, die imaginär miteinander verbundenen sind. Der Titel „Archipel“ stammt von Oswald M. Ungers’ städtebaulichem Konzept: „Die Stadt in der Stadt. Berlin – Das Grüne Archipel“ von 1977. Vor dem Hintergrund eines schrumpfenden West-Berlins waren damals verdichtete städtische Inseln, verbunden mit Grünzügen, geplant.
Der räumliche Effekt des Insularen soll hier in der Ausstellung durch verspiegelte Wände noch verstärkt werden, ein Statement möchte es sein gegen die Homogenisierung und Vergoldung von Mitte. Zur Verstärkung ist die Tonspur eines Werbespots des Architekturprojekts yoo berlin von Philippe Starck zu hören. Man habe, erklärt Kurator Marius Babias, den Beton durch vorhandene Löcher in der Decke gegossen, also auch in den ersten Stock schaffen müssen. Eine Knochenarbeit.
Die Betonkleckerburgen sollen nun diese Inseln darstellen. Der Zusammenhang erschließt sich nicht. Die Ausformung zeigt etwas anderes, eine Verbindung zwischen den Haufen, wenn auch nur imaginär, lässt sich nicht herstellen. Alles wirkt ziemlich konstruiert und dekorativ, fehlt nur noch das Baggerballett draußen vor der Tür.
Die Zusammenarbeit mit dem n.b.k. begann bereits 2011. Mittels eines Farbflächen-Wahlplakats ohne Text: „RGB 165/96/36 CMYK 14/40/80/20“, das das Farbspektrum aller angetretenen Parteien ineinander kopierte (also irgendwie braun), forderte Brandlhuber damals von der Politik Alternativen zu Bauplänen und der damit einhergehenden Ordnung von sozialen Beziehungen. Die Farbe konnte man runterladen und etwas damit machen.
Zum Abschluss der Ausstellung gab es passend ein Konzert von „Ornament und Verbrechen“. Die Taz schrieb, die Band hätte auf „Sandhaufen“ gespielt. Aber es war wohl Beton. Ein ziemlicher Aufwand, der selbst kaum „reused“ werden konnte: um die Last der Archipele zu tragen musste der Unterboden des EG angeblich verstärkt werden, der Abbau der Installation erfolgte tagelang mit Presslufthämmern.

In der Galerie KOW geht es weniger aufwändig zu. Das Souterrain des Hauses an der Brunnenstraße wurde geflutet, um auf den vorgefundenen Zustand der damaligen Investitionsruine hinzuweisen. Akustisch füllt den Keller die permanent installierte Soundarbeit von Mark Bain: Sensoren im Baukörper machen dessen kleinste Vibrationen hörbar. Die Spiegelung des Lichts im Wasser und an der Decke wirkt sehr meditativ. Fotos von schönen Ausflockungen und Schimmel an den Wänden werden gemacht, eine Diskussion auf Designerstühlen im Wasser mit nassen Füssen abgehalten.
Auf den Computerbildschirmen der Galerie laufen Werbefilme der Mitte-Wohnparks. Eine Bestandskarte städtischen Wohneigentums, über dessen Mietspiegel sich sozial gegensteuern ließe, hängt im Showroom als Edition. Vergleichend lesen die Mitarbeiter für Galeriebesucher täglich wiederum aus dem „Grünen Stadtarchipel“ von Ungers.
Bei KOW entsteht so nur eine Dopplung der anderen Ausstellung in den eigenen vier Wänden: hier das Wasser, dort die Inseln.

Nun die Blumen: im Eingangsbereich des HKW wird auch gelesen. Der Architekt und der Spiegel-Journalist Georg Diez sitzen mit einer kleinen Gruppe im riesigen Foyer und unterhalten sich freundschaftlich. Brandlhuber liest zuerst aus dem Wohnungsbauprogramm des ehemaligen Nordkoreanischen Diktators. Im Foyer stehen Orchideen, benannt nach berühmten Menschen wie Kim Il Sung, Angela Merkel, Joseph Stalin oder Margaret Thatcher. Sie wurden von Brandlhuber in Glasvitrinen gepflanzt, ein Garten der Ideologien. Die Gruppen-Ausstellung heißt „between walls and windows“ und rückt den Bau der Schwangeren Auster und dessen Geschichte in den Mittelpunkt. Es geht um alte Ideologien, die Orchideen sehen sehr dekorativ aus. Diez hat auf englisch Stücke zu den Orchideen verfasst. Auch er liest aus einem giftgrünen Heftchen vor. Unwillkürlich fällt einem Diez’ wenig schmeichelhafte Rezension zu Christian Krachts „Imperium“, aber auch Christian Krachts Nordkoreaexpedition „Die totale Erinnerung“ ein. Blumen für den Führer, Immortal Flowers. Die Orchideenvitrinen gefielen so gut, dass sie nun permanent im Haus der Kulturen der Welt verbleiben sollen.

Bei all den Ausstellungen des Architekten/Künstlers ist eines sehr auffällig: die Kombination des Guten mit dem Bösen, um das Gute zu verstärken. Es geht immer darum, Dinge bzw. Missstände aufzuzeigen und diese mit einem massiven Materialaufwand zu dekorieren: Löcher werden herausgebrochen oder gefüllt, Betonsandburgen aufgeschüttet, Farben ineinanderkopiert, Geschosse geflutet, Blumen gepflanzt, Pflanzenzeichnungen gerahmt, Bestandskarten als Editionen verkauft, aus fremden Texten gelesen, Werbefilme für Immobilien mit Musik unterlegt, Zeitungsartikel zu einer Zeitung kopiert. Alles im Vakuum der Kunstinstitutionen, extrem konstruiert.
Das Zeigen an sich reicht nicht, jeder sieht es sowieso: es soll verhindert werden, dass alles so weitergeht, hier und jetzt der Liegenschaftspolitik ein Riegel vorgesetzt werden. Das ist schwer und nur massiver öffentlicher Protest und Politik vermag all dem Unding Einhalt zu gebieten. Geschuldet dem Umstand, dass Berlin eine andere Geschichte als all die zum Vergleich herangezogenen Metropolen hat, eine Sonderstellung in der Historie, die nicht platt gemacht werden darf, mit keinem Schloss und keinem Abverkauf.
Der Architekt, bei allem good will, wirkt mit seiner Kunst irgendwie hilflos, sogar ein wenig eitel. Sie bleibt reine Dekoration. Man möchte ihm zurufen: mal doch eine Parole auf ein Transparent, geh auf die Straße, gründe eine Partei, mach irgendwas im Senat, plane günstige Wohnungen, lass die Kunst den Künstlern. Als Architekt außerhalb der Institutionen baut er Kirchen zu Galerien und Fabriken zu Ferienhäusern um.     

Arno Brandlhuber „Archipel“, n.b.k. Chausseestraße 128/129,
10115 Berlin, 8.9.–4.11. 2012 und „Im Archipel“ KOW,
Brunnenstraße 9, 10119 Berlin, 8. 9.–21. 10. 2012
KOW ISSUE 9, Berliner Archipele 2012, Arno Brandlhuber im Gespräch mit Eike Becker, Oliver Collignon, Manfred Dick, Friedhelm Haas, 15. Sep. 2012, Courtesy kow (© Website kow)
Arno Brandlhuber „This is Me, This is My Country“, HKW, 2012 (© Judith Affolter und Thomas Eugster)
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