Joseph Beuys

Hamburger Bahnhof

2009:Feb // Thomas Wulffen

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02-2009
















Eine medienkritische Analyse trägt immer den Haut-Goût mit sich, dass der Autor hinter der Analyse nicht ganz auf der Höhe der Zeit steht. Eine derartige Feststellung wird allerdings schnell zu einem vorauseilenden Gehorsam, wobei sich die Person schon beim Empfang eines Befehls in Positur stellt, obwohl sie in keiner Weise ein Wissen davon hat, was auf sie konkret zukommt. Aber dergleichen sollten einen in keiner Weise davon abhalten, sein eigenes Unbehagen zu äußern. Wer entscheidet wie und auf welchem Wege, wer auf der Höhe der Zeit steht? Die Höhe der Zeit ist ja keineswegs eine feststehende Größe, sondern in spezifischer Weise abhängig von der gewählten Perspektive.

Diese Überlegungen führen schon in medias res. Ausgangspunkt für diese Intervention war die Ausstellung zum Werk von Joseph Beuys im Berliner Hamburger Bahnhof. Die Ausstellung war die erste große Retrospektive des Werks nach dem Tod des Künstlers. Auf rund 5000 qm wurden die wesentlichen Werke von Joseph Beuys gezeigt inklusive prominenter Leihgaben, zusammen mit der „Fülle der audio­visuellen Materialien aus dem Bestand des Joseph-Beuys-Medien-Archivs in vitaler, dialogischer Gegenüberstellung“ laut Pressemitteilung.

Tatsächlich aber war diese Gegenüberstellung ein Wagnis besonderer Güte, denn eine derartige Nähe von audiovisuellen Medien und visuellen Objekten war selten zu erleben. Das hatte zum Teil seine durchaus ironischen Momente, wenn auf einem Video der erzwungene Abschied von Beuys von der Kunstakademie Düsseldorf gezeigt wurde. Da fühlt man sich in der Gegenwart doch geborgen, weil aktuell einem überwerteten Künstler die Professorenehre aufdrängt wird und dieser zukünftige Professor mit großem Trarara in sein Atelier, neben dem Hamburger Bahnhof, einlädt, um der Pressemeute sein ‚Curriculum‘ oder was er dafür hält, zu erklären. (Aber das ist schon wieder ein ganz anderes Thema).

Es ist eine Zeitlang her, dass man von einer MTV-Generation sprechen konnte, aber die Vermischung von Werk und Medien in dieser Präsentation lässt einen wieder daran denken. Ist es also Kunst für die MTV-Generation? Ja und nein, denn das pure Werk ohne Vermittlung ist eine Chimäre für alt gewordene Kunstfans. Jedes zeitgenössische Werk ist eingebunden in ein mediales Umfeld, das kaum mehr zwischen Print, Online oder Offline unterscheidet. Dennoch produziert das elektronische Bild auf einem Monitor eine andere Ansicht, weil ihm eine andere Wahrnehmung zugrunde liegt. Zudem war Joseph Beuys eine mediale Person, wie kaum ein deutscher Künstler davor. Also bietet das Beuys-Medienarchiv umfängliches Material an.

Die Nähe zwischen Werk und Person auf dem Bildschirm in einigen Fällen, wo der Monitor Begleiter zum spezifischen Objekt war, ist das Ergebnis einer veralteten Technik, in der das Bildmaterial in sich selbst über das dokumentarische Moment hinaus wies. Da spielte es keine Rolle, was wie visuell aufgeladen war oder nicht. Dennoch ist eine Wahrnehmung über den Monitor eine andere Zugangsweise zum Objekt. Im konkreten Fall hieß das, vor Ort zu entscheiden, was als Werkbetrachtung angenommen wird, das Monitorbild oder das Werk in welcher Form auch immer. Die „Honigpumpe“ auseinander gebaut und in Einzelteile zerlegt, sagt sehr wenig aus und wird übersehen. Die Ansicht im Monitor ‚rettet‘ die Pumpe, aber wie lange?

In der Nähe von Monitor und Werk überlagern sich zwei unterschiedliche Wahrnehmungsmodi, wenn sie sich nicht schon so weit überdecken, dass ihre Differenz zu Null strebt. Für zukünftige Darstellungen dergleichen Art ist wohl mehr Sensibilität gefordert. Und sei es dadurch, dass der Videomonitor in seine Ecke rutscht, wo er ein eigenes Feld einnimmt. Oder sollten wir demnächst am Eingang der Kunstinstitution eine DVD in die Hand gedrückt bekommen, um die Ausstellung auf dem Plasma TV zu betrachten. Bild­diagonale 87 cm. Als Jahreszahl betrachtet, bezeichnet es die Ankunft von MTV auf deutschen Fernsehern. Und atmen wir am Ende nicht dann doch auf, wenn kein Videomonitor den Anblick des Werkes in welcher (Un)Ursprünglichkeit auch immer stört.

»Der Kult des Künstlers – Beuys. Die Revolution sind wir«
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart
Invalidenstraße 50–51
10557 Berlin
3.10.2008–25.1.2009     
Joseph Beuys „Filz-TV“, Teil von „Identifications“ (Videostill), 1970 (© VG Bild-Kunst 2004)
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