Provinz in Berlin

/ Zum vorläufigen Aus der Berliner Kunstmesse Art Forum

2011:Aug // Andreas Koch und Peter K. Koch

Startseite > Archiv > 07-2011 > Provinz in Berlin

07-2011
















Messen sind eigentlich blöd. Es gibt zu viel Kunst, meist zu dicht präsentiert und wenn man zur Eröffnung geht, sieht man von der Kunst fast nichts, weil man alle fünf Schritte in einem Smalltalk steckenbleibt. Trotzdem sind Messen wichtig. Sonst würden nicht alle hinrennen. Nirgendwo sonst kann man sich einen so konzentrierten und gleichzeitig umfassenden Überblick über das aktuelle Kunstgeschehen verschaffen. Nirgendwo sonst können Sammler so einfach atelierfrische Kunst kaufen und zwischen so vielen unterschiedlichen Positionen wählen und vergleichen. Nirgendwo sonst ist es für Galeristen einfacher, außerhalb ihres Heimatmarktes neue Sammler kennenzulernen. Denn das ist der eigentliche Sinn von Messen, das Erreichen neuer Märkte. Der Kreis der potentiellen Käufer ist in der Kunst recht überschaubar. Es gibt eine schmale Schicht von hin- und hergeflogen werdenden Vielsammlern, die sich in den jeweiligen VIP-Programmen zuprosten, aber auch in jeder Stadt oder Region eine mehr oder weniger große Schicht von Mittelklassesammlern und Gelegenheitskäufern. Der fast schon legendäre rheinländische Sammler gehört dazu, der schüchterne belgische oder auch der protzige Floridabewohner. Für eine gute Messe muss ein Galerist Geschäfte mit diesen lokalen Sammlern machen und gleichzeitig den globalen Jetset einfangen, den man aber ansonsten auch beim nächsten Stop in London wiedersieht und dann nochmals sein Glück versuchen wird.

Berlin ist ein Spezialfall, denn jahrelang wurde hier von einer Absenz eben dieses lokalen Marktes gesprochen. Sinn des Art Forums war es, Berlin auf dem Fahrplan des internationalen Kunstzuges als mögliche Haltestelle einzuschreiben. Für auswärtige Galerien war es ziemlich unattraktiv hierherzukommen, denn sie verkauften oft nur an Sammler, die sie selbst im Schlepptau mitbrachten. Für die Berliner Galeristen war es in den frühen Aufbruchszeiten, als man ansonsten noch gemeinsam zur Liste nach Basel tingelte und sich die Zimmer teilte, die große Möglichkeit, interessierte Leute nach Berlin zu bringen und so langsam den Standort und den eigenen Status zu heben. (Auch Basel ist übrigens ein Spezialfall, denn dort gibt es auch keinen nennenswerten lokalen Markt.)

Die Tatsache, dass Kölner Galerien unter dem Namen European Art Galleries das Art Forum 1996, also vor 15 Jahren aus der Taufe hoben und die ersten fünf Jahre bestritten, belegt nur, dass hier potente Leute in die Kunstmarktwüste gelockt werden sollten, um das arme, aber sexy Potential der Stadt zu entdecken und zu fördern. Die Kölner konnten so selbst aus dem etwas eng gewordenen Rheinland fliehen, ihre Sammler jährlich locken und die Kunststadt Berlin päppeln. Mittlerweile lebt der Patient, erfreut sich sogar bester Gesundheit und Potenz und glaubt, den Onkel Doktor Art Forum nicht mehr zu brauchen und schafft ihn kurzerhand ab.

Die Nachricht durchfuhr die hiesige Kunstszene wie ein Schock, und obwohl sich diese Entwicklung möglicherweise seit einiger Zeit am Horizont abgezeichnet hat, wollte es niemand so richtig wahrhaben. Das Art Forum gehörte irgendwie zum Inventar. Man muss sich die Situation doch noch mal genauer vor Augen führen. Als das Art Forum gegründet wurde, da war die Situation in Berlin wirklich Diaspora. Die Szene war überschaubar, man kannte sich und, was der Unterschied zur Gegenwart ist, man hielt zusammen und musste auch zusammen halten. Das Art Forum hat sich dann im weiteren Verlauf zu einer Marke entwickelt, die, in ihren besten Zeiten, so etwas wie der Spiegel der Kunstproduktion in der Stadt gewesen ist. Der Fokus lag auf jüngster Produktion, überwiegend aus Berlin. Das machte auch Sinn, denn anders als die Galeristen, die erst relativ spät in Kohortenstärke von überall her in die Stadt geströmt sind, waren die Künstler schon länger da. Zumindest die Avantgarde der jungen nationalen Szene hatte sich um 2000 längst in Berlin versammelt (klar gab es auch Ableger in Düsseldorf, Köln und möglicherweise sprangen ein paar sogar in Hamburg rum, aber Berlin war heißer). Erst später kamen dann die Miles&More-Künstler aus den G8-Staaten dazu. Die Geschichte des Art Forums steht für einen demokratischen Aufbruch, eine konzertierte Operation der Basis, ein Äquivalent zu einer Utopie der Durchlässigkeit, für die das Berlin der frühen Nullerjahre steht.

Selbstverständlich ist auch diese Bewegung nie klassenlos gewesen. Sonst hätten sich um das Flagschiff Art Forum nicht in kurzer Zeit die Satelliten Preview, Liste und Kunstsalon gebildet. Nicht all die, die sich auch dem Art Forum präsentieren wollten, durften auch. So funktioniert der Kunstmarkt nicht. Ausgrenzung und Selektion sind eine qualitätsbildende Strategie. Deswegen war die Stärke des Art Forums immer die Fokussierung auf jüngste Produktion. Das hat nach und nach mehr Sammler, mehr Kuratoren und mehr Interessierte angezogen. Das Aufweichen dieser Strategie hin zum Imitat von Messen wie Art Basel oder was auch immer in den letzen Jahren imitiert werden sollte, war eine absolut blöde Idee, war augenscheinlich von Panik inspiriert und hat letztlich dazu geführt, dass das einmalige Profil ausgehöhlt wurde und die verantwortlich Handelnden immer konfuser wurden, um nun komplett den Faden zu verlieren.

Was mit dem Niederbrennen des Art Forums wirklich verloren geht, wird die Zukunft zeigen. Sicher kann man sagen, dass nicht all die, die regelmäßig auf dem Art Forum vertreten waren, irgendetwas mit der abc-Gallery-Weekend-Mafia zu tun haben, weswegen diejenigen dann wohl auch zukünftig in deren Machtbereich keinen Fuß auf die Erde kriegen werden. So wird es viele lokale Verlierer geben. Unter den Galeristen genauso wie unter den Künstlern. Denn, und vielleicht muss man an dieser Stelle auch noch mal ganz kurz an die fiesen Umstände des Galerien-Bashings rund um den Index-Flyer erinnern, eins ist nach diesem mutwilligen Vernichten des Art Forums klarer denn je: die Macht liegt in der Hand von einigen Wenigen, und die haben nichts anderes im Sinn, als diejenigen aus dem Markt zu drängen, die ihrer Meinung nach dort nichts (mehr) zu suchen haben. Das ist eine fatale Bewegung, die über kurz oder lang vermutlich dazu führen wird, dass sich viele junge Leute mit Potenzial in Berlin nicht mehr wohl fühlen werden, sollten sie keine Möglichkeiten zur Entfaltung sehen. All das, was Berlin für Künstler so attraktiv gemacht hat, wird dadurch mittelfristig platt gemacht und ersetzt durch Undurchlässigkeit, Erstarrung, Frustration. Das genaue Gegenmodell also zur Utopie der Nullerjahre. Junge Künstler, man kann es euch nur raten, geht lieber ins Rheinland, da sind jetzt alle weg, da ist wieder Platz. Wie es dort um die Kulturförderung bestellt ist, das wissen wir nicht, aber macht lieber einen großen Bogen um Berlin, hier ist das Terrain jetzt abgesteckt wie im polarkalten Köln der Achtzigerjahre. Die Mafia hat alles unter sich aufgeteilt und schießt jetzt scharf. Aber wer ist das eigentlich, die Mafia und wie funktioniert sie?

Hier landen wir im Spekulativen. Denn es ist ein nur teilweise fassbarer Kreis von Galeristen, der selbst mit den Mitteln des Spekulativen arbeitet. Es gibt keine Struktur, keinen Paten oder ähnliches, aber es gibt Auswahlgremien und mittlerweile auch eine GbR, die die abc verantwortet, die A–Z art exhibition GbR, aktuell mit den Gesellschaftern Esther Schipper, Alexander Schröder und Joanna Kamm. Sie bilden sozusagen die Exekutive und bestimmen selbst oder an ein Gremium delegiert, wer mitmachen darf und wer nicht. Die Aufstellung ist relativ identisch mit dem Gallery Weekend, die Organisation läuft über die von dem Kunstsammler Christian Bauschke mitbetriebene Anwaltskanzlei Heller und Partner, die Grafik macht Christian Boros. Wenn sich, wie das beim Art Forum des öfteren passierte, jemand einklagen will, schreckt man alleine schon durch den Briefkopf ab. Bewerben kann man sich auch nicht offiziell, man wird gefragt, man darf mitmachen oder eben nicht.

Hinter der Exekutive stehen die, nennen wir sie, Einflüsterer. Alexander Schröder gehört bestimmt selbst dazu, Tim Neuger und Burkhard Riemschneider auf jeden Fall, Jochen Meyer als fast Neuberliner mit besten Baselkontakten mittlerweile auch, einige andere mal mehr, mal weniger. Es läuft wie so oft in der bildenden Kunst. Man greift Namen auf, die aus der informellen Nebelwolke herausleuchten. „Diese Galerie ist interessant, die kannst du aber vergessen, wenn wir die zeigen, müssen wir auch die zeigen. Die schmeißen wir jetzt aber endlich mal raus …“ Giti Nourbakhsch gehörte des Öfteren zur Exekutive, so auch beim Gallery Weekend und auch beim Index, bis sie sich einmal, wahrscheinlich in einer Gremiumssitzung, mit dem Rest überwarf und ihren Posten aufgab.

Mögliches Resultat daraus war wiederum die Nichtzulassung Nourbakhschs auf der Art Basel in diesem Jahr, in deren Gremium auch Jochen Meyer und Tim Neuger saßen. Dumme Überschneidung für Giti Nourbakhsch, die nun am eigenen Leib erfuhr, was sie früher oft selbst mitverantwortete. Kollegin Kamm wird diese Fehler bestimmt nicht machen und weiter beflissen mit richten.

Die Einflüsterer arbeiten unentwegt im Hintergrund, reden dort mit Großsammlern, hier mit Kuratoren oder Kollegen und bewegen sich scheinbar am Draht der Zeit. Sie agieren in dem Glauben, doch nur das zu machen, was eh in der Luft läge, „gestalten“ aber natürlich in ihrem Sinne mit. Sabrina van der Ley wurde vor drei Jahren als Art-Forum-Leiterin abgesägt, weil sie sich nicht um die Einflüsterer scherte und es ihr immer wieder gelang, ein genaueres Abbild der Berliner Kunstlandschaft zu zeichnen. Die Einflüsterer agieren in ihrer eigenen Sphäre, in der sie sich seit Jahren stückweise von anderen Teilen des Geschehens entfernen. Das Problem für Berlin ist nur, dass sie nun diesen anderen Teilen ein wichtiges Forum nehmen.

Das Problem wiederum des Art Forums war es, dass man den Einflüsterern zu lange hinterherlief und immer wieder versuchte, es ihnen recht zu machen. Ja, wir entlassen Sabrina van der Ley, ja, wir holen Frau Häusler und Herrn Vetsch von der Art Basel (was passiert jetzt eigentlich mit ihr, hat unsere Mafia vielleicht so eine Art Ruheposten für verbrannte Karrieren?), ja, wir reduzieren auf nur 100 Stände, ja, wir gehen sogar aus den Messehallen raus und wir fusionieren mit der abc. Wir machen alles, wenn ihr nur wieder bei uns mitmacht. Dann war jedoch Schluss. Als auch noch der Messe die Organisation entrissen und von der A–Z GbR, bzw. deren Anwaltskanzlei übernommen werden sollte, scheiterte alles. Die Messegesellschaft stieg aus, zu den alleinigen Bestimmern der großen, kommerziellen Martplätze wurden die Einflüsterer und Frau Häusler war arbeitslos. Ihr Kollege Vetsch ging ja kurz vorher schon von selbst. Aber ist das Gallery Weekend oder die abc-Messe ein Ersatz für das Art Forum? Nein, denn die ganze Geschichte ist sehr viel elitärer. Wie schon eingangs angesprochen, bietet die klassische Messe einen komprimierten Überblick und die Möglichkeit eines gewissen Vergleichs. Das kann das Gallery Weekend in dieser Form unmöglich leisten. Das Weekend ist wie ein ins absolut Gigantische aufgemotzter Auguststraßengalerienrundgang, da ja nicht nur die wirklich „beteiligten“ Galerien ihre besten Sachen auffahren, sondern ALLE und das heißt: 200 Orte mindestens. Durch die Größe der Stadt und die topografische Streuung vollkommen unübersichtlich, insgesamt unrezipierbar und auch in der VIP-Limo mit 80 Sachen nur unter Einsatz aller Kräfte in drei Tagen zu schaffen. Eine Old-School-Messe macht man an einem konzentrierten Nachmittag. Und es spielt sich dadurch noch mehr in den Hinterzimmern ab. Offenheit und Transparenz, das ist damit nicht gemeint.

Und was bietet eigentlich das alternative Format abc? Man konnte sich ja die letzten drei Ausgaben anschauen. Die erste war eine Art Kleinbiennale der Skulptur. Das sah teilweise nicht schlecht aus, da waren tolle Arbeiten darunter und die Atmosphäre entspannt. Trotz allem gab es bis auf den vagen Begriff des „Räumlichen“ keinen Zusammenhang. Die zweite übergehen wir lieber, eine Architekturkunsthybridausstellung auf Eiermanngestellen, die aussah wie eine Jahresausstellung des Fachbereichs Architektur an der UdK, nur schlechter. Und bei der dritten gab es viele Filme, doch richtig einlassen wollte sich darauf eigentlich niemand, denn man war ja auf einer Art Messe und hatte nicht ewig Zeit, jedenfalls keine drei Tage, die man gebraucht hätte, um wirklich was zu sehen und das alles auch noch im Stehen!

Das ist das Hauptproblem des Formats. Es soll so aussehen wie eine Ausstellung, ist aber doch eine Messe. Jede einzelne Arbeit hat sich eingekauft. Die teilnehmenden Künstler müssen erst mal das Glück haben, von einer Galerie vertreten zu werden, die vor den Augen des „Kartells“ besteht und dort nicht in Ungnade gefallen ist. Die Galerie muss eine Summe im mittleren vierstelligen Bereich hinlegen und dann darf ein Kurator mit den so zu verwaltenden Kunstwerken etwas machen. Vielmehr als einen günstigen Platz zu finden, bleibt ihm eigentlich nicht. Aussortieren ist auch nicht wirklich drin, da reicht der fiskalische Druck, wenn auch nur im Hinterkopf. „Finden wir doch noch ein Plätzchen für, da hinten in der Ecke. Ist ja nicht wirklich schlecht, die Arbeit.“ Aber schlecht wird es vielleicht dem Betrachter, weil er nicht wirklich weiß woran er ist und was er warum vor sich hat.

Die Messen liefern solche offenen Formate außerdem seit Jahren selbstverständlich mit. Die Basler die Art Unlimited, Köln den Open Space und auch das Art Forum versuchte sich daran, mal besser, mal schlechter. Neu und alternativ kann man die abc schon alleine deshalb nicht bezeichnen. Der Vorteil eines offenen Formats ist nicht zu leugnen. Man gibt den Arbeiten mehr Platz, mehr Überraschungsmoment, mehr Bezug und nimmt ihnen etwas den störenden Warencharakter. Im Verbund mit dem klassischen Kojenformat funktioniert das auch wunderbar, denn man kann sich später beim Galerienstand ausgiebig über den soeben entdeckten Künstler informieren und wird nicht nur, wie bei der abc, mit einem losen A4-Zettel abgespeist. Vielleicht findet man dann auch in dieser Galerie noch andere Künstler, die man interessant findet. Das ist nämlich der große Vorteil einer Koje, hier kann eine Galerie, sogar besser als in den eigenen Räumen, ihre programmatische Ausrichtung präsentieren. Hier kann sie die unterschiedlichen Positionen, die sie vertritt, verbinden und macht sich durch die egalitäre Messearchitektur vergleichbar mit den anderen Galerien. Aber vielleicht passt das den Großen, Wenigen nicht. Dass da plötzlich eine Galerie, die nicht mal im Index vertreten ist, besser aussieht als die eigene.

Fazit zur abc: es hätte sich eigentlich um die perfekte Ergänzung zum Art Forum gehandelt, hier die klassische Kojen-Messe, dort die anspruchsvolle Präsentation einzelner künstlerischer Positionen mit jährlich wechselndem Schwerpunkt. Am Ende hätten alle davon profitiert, aber das scheint in Berlin, der nun einzigen Weltmetropole der Kunst ohne eigene Premiummesse, nicht zu gehen. Schau’n wir mal, wie lange die abc alleine überlebt.

„Berlin ist als Kunststadt so attraktiv, warum braucht es da noch eine Messe?“ Dieser von Alexander Schröder von der Galerie Neu formulierte Satz klingt erstmal logisch, beim zweiten Mal lesen jedoch überheblich. Berlin ist auch wegen der Messe als Kunststadt attraktiv geworden und genauso erging es seiner Galerie. Erst durch außergewöhnliche, programmatische Setzungen auf ihren Messeständen entwickelten sich Neu oder neugerriemschneider zu den Hip-Galerien, die sie einmal waren. Wäre die Pernice-Skulptur, mit der Neu einmal in den späten Neunzigern den ganzen Stand füllte, auf einer normalen „Open-Space“-Präsentation zu sehen gewesen, wäre sie zwar immer noch eine interessante Skulptur, aber hätte niemals durch den Kontrast zu den anderen Kojen so stark ihren Nimbus auf die Galerie übertragen können.

Und auch neugerriemschneider glänzten in den letzten beiden Jahren wieder durch klug inszenierte Messestände und knüpften so an ihre goldenen Neunzigerjahre an, wo sie sich auch einmal den Preis für den besten Stand holten. Jetzt hatten sie wenigstens auf der Messe wieder für alle Augen sichtbar etwas „Interessantes“ und konnten ihren Aufstieg zur machtvollsten, aber gleichzeitig langweiligen Galerie (siehe Galerie-Ranking von hundert 14) etwas kaschieren. Genau dies wird von den Großen vergessen. Auf dem Art Forum hatten sie immer die Möglichkeit, das lokale Standing etwas aufzubessern.

Man kann sich an drei Fingern abzählen, was im nächsten Jahr mit der Art Cologne passieren wird, die in ihren kritischen Jahren eigentlich genau alles richtig, was das Art Forum nun falsch gemacht hat. Die Art Cologne hat die dunklen Jahre der absoluten inhaltlichen Orientierungs- und Führungslosigkeit und den damit verbundenen schleichenden Machtverlust, wenn auch unter Schmerzen, ausgehalten, hat sich im Gegensatz zum Art Forum nicht selber abgeschafft und steht nun, nach dem kuriosen Abgang des Berliner Konkurrenten, als Option glänzend da. Falls das Art Forum sich nächstes Jahr nicht neu aufstellen wird, wird die Art Cologne wieder die nationale Pole-Position im klassischen Kunstmessegeschäft übernehmen und das wird dazu führen, dass die Bewerberzahl in nächsten Jahr explodieren und auch dort der Verteilungskampf exzentrischer werden wird. Rebound Rheinland. Die Preview ist leider auch keine Berliner In-House-Alternative, denn aus einer Sekundärmesse kann keine Primärmesse werden. Die Macher der Preview sahen sich auch immer als Ergänzung zum Art Forum und versuchten sogar, im Streit zwischen Art Forum und abc noch zu moderieren, verlieren sie doch mit dem Art Forum auch ihre Daseinsberechtigung als Nebenmesse. Aber sie scheiterten, die anderen Parteien schalteten auf stur und machten das Shoot-Out unter sich aus. Aber noch mal zum Schluss: Die jetzt entstandene Machtkonzentration macht Angst. Nachdem sich in Berlin mittlerweile doch so etwas wie ein Markt entwickelt und sich eine zumindest mittelständische Sammlerschaft etabliert hat, wird der Laden einfach dicht gemacht. Die oben beschriebene Grundidee einer Messe, nämlich einen Marktplatz international zu öffnen, um auch längerfristig global wahrgenommen und vernetzt zu sein, wurde übermütig fallen gelassen. Die anderen dürfen ab jetzt nicht mehr mitspielen. Bei der reinen Lokalveranstaltung Gallery Weekend liegt das in der Natur der Sache. Bei der abc dürfen die Kollegen aus dem Rest der Welt Geld überweisen und die Arbeiten schicken. Kommen müssen sie nicht mal persönlich; das A4-Blatt mit aufgedrucktem Galerienamen und kurzer Beschreibung des Exponats reicht, zumindest hatte man die letzten Male diesen Eindruck. Messekontakte entstehen so aber nicht. Ob aber die Berliner noch allzu lange überall auf offene Arme stoßen werden, bleibt fraglich. Die Frieze macht jetzt einen Ableger in New York auf. Der Termin ist fast deckungsgleich mit dem Berliner Gallery Weekend. Der neue Kampfplatz ist eröffnet: Berlin/Basel kontra London/Frieze.

Messegelände Berlin (© Andreas Koch)
abc Berlin (© Barbara Buchmaier)
Microtime für Seitenaufbau: 1.58248305321