Denkend erstarrt

Über Bazon Brocks „Denkerei“

2012:Aug // Niele Büchner

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08-2012

















Bazon Brock betreibt in Berlin Kreuzberg ein „Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand“ – auch genannt die Denkerei. „Denker im Dienst“ steht an den Schaufenstern und „öffentliches Glühen“. Bazon Brock ist mal sehr bekannt geworden mit seiner unkonventionellen documenta-Besucherschule und seiner auch sonst unangepasst-ironischen Querdenkerei. Was zu seiner Zeit vielleicht einmal erfrischend beunruhigend war, wirkt aber heutzutage repetitiv vorhersehbar. Wer Brock heute erlebt, hat es mit einem Gewicht zu tun, jemandem, der gebetsmühlenhaft die gleichen unkonventionellen, provokanten Aussagen von sich gibt, ohne dabei in irgendeiner Weise auf die Situation oder das Gegenüber einzugehen. Das ist vor allem bei Diskussionsrunden ermüdend, aber auch, wenn man ihn als Vermittler von Kunst oder Wissen erlebt. Trotzdem ist Brock in diesen Rollen immer noch sehr gefragt, wie die Gründung der Denkerei 2011 und seine Tätigkeit als Leiter des Studienangebots „Der professionalisierte Bürger“, (Teil des Studium Generale an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, zusammen mit dem an ähnlichen Verkalkungserscheinungen leidenden Peter Sloterdijk) verraten. Mit anderen Worten: Brock ist sehr erfolgreich. Und sehr engagiert, was seinen eigenen Ahnenkult betrifft. Ein schönes Beispiel hierfür ist ein von Prof. Dr. Wolfgang Ullrich im April ausgeschriebener Essaywettbewerb. Die Bewerber sind aufgerufen „den Rang und Charakter des Theoretikers Brock deutlicher werden zu lassen.“ Präziser ausgedrückt: „Die Aufgabe besteht darin, einen Satz – der als Titel des Essays gewählt werden soll – aus dem Werk Bazon Brocks auszuwählen und in einem kurzen Essay darzustellen, welche dezidiert philosophische oder kulturwissenschaftliche Bedeutungsdimension in ihm angelegt ist.“ Immerhin gibt es dafür Preisgelder, aber mir schaudert es bei dem Gedanken, dass für Huldigungen dieser Art Geldanreize (verwaltet von der Uni Jena, die die Ausschreibung betreut) geschaffen werden.
Auch die Denkerei – gefördert mit Mitteln aus dem „Innovationsinkubator“, der Riesen-Subventions-Maschine der Leuphana Universität – dient der Huldigung von Brock. Leider ist sie – abgesehen von lustigen Sprüchen auf den Scheiben, den zahlreichen ausliegenden Bücherns Brocks, der schick designten Bar und den jungen Assistentinnen, die ab und zu telefonierend durch die verlassenen Gemächer schleichen, meist leer. Und ich frage mich: Wie innovativ ist ein Konzept, das lediglich der Feierei einer einzelnen Person dient?
Brock betreibt hier mit großem Engagement seine eigene Geschichtsschreibung. Seine Erfolgsgeschichte steht jedoch im eigentümlichen Widerspruch zu seiner gedanklichen Erstarrung.
Die letzte Veranstaltung in der Denkerei zum „Prinzip Bloch“ am 2. Juni ist dafür ein weiteres Beispiel. Nicht, dass es nicht genügend Action gab oder dass keine Leute dagewesen wären. In der Denkerei war den ganzen Tag Programm. Aber es wirkte etwas heruntergespult, zudem fehlte ein kommunikatives Miteinander. Das zeigte sich nicht nur bei den Diskussionen, sondern auch bei den anschließenden „Festakten“. Als der Sänger Dagobert eine schnulzig-schöne Performance bot und dabei seltsam verloren wirkte zum Beispiel oder als die junge, überaus agile Tänzerin Helga Wretman fast vergeblich versuchte, die Urnäscher Blochgesellschaft – einen Schweizer Herrenchor in traditioneller Tracht – zu animieren. Brock selber sah man übrigens nur ab und zu vorbeihuschen. Der Maestro wirkte müde von der ganzen Aufmerksamkeit. Erfolg kann ganz schön anstrengend sein.      

32_CIMG0105.JPG (© Foto: André Marose)
32_IMG_0881.JPG (© Foto: André Marose)
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