Als Jesco von Puttkamer 2005 mit seiner damals dritten Galerieneugründung an den Strausberger Platz zog, erschien dies eine mutige Expansion in Richtung Osten, zumal in dieser Zeit die Migrationsbewegungen der implodierenden Kunstmitte um die Auguststraße in ganz andere Richtungen zeigten. Rosa-Luxemburg-Platz, Brunnenstraße, Oudenarder Straße im Wedding oder Kochstraße in der südlichen Mitte hießen die verheißungsvolleren Orte. Die einstmalige Prachtmeile Karl-Marx-Allee beeindruckte durch ihre in Deutschland einmalige großzügige Anlage im stalinistischen Zuckerbäckerstil. Nach der Wende mit neuen glänzenden Kacheln saniert, strahlte sie dennoch vor allem eine große Leere aus. Das ist auch heute noch so.
Mittlerweile hat von Puttkamer auch seine dritte Galerie geschlossen und widmet sich dem reinen Kunsthandel sowie der Kindeserziehung. In seinen Räumen öffnete nahtlos Stephan Adamski aus Aachen seine Berliner Filiale. Für westdeutsche Galerien scheint es zur Zeit zwei Alternativen zu geben. Entweder sie siedeln komplett nach Berlin über oder sie eröffnen hier eine Dependance. Adamski schaute sich auch andere Möglichkeiten rund um den Strausberger Platz an. Alternativen gab es noch genug, er entschied sich aber für die schon renovierten Räume seines Vormieters. »Der Vorteil hier ist das fehlende Mitte-Publikum, wer seinen Weg zu mir finden will, der kommt auch« so das typische Statement des Galeristen. Von Vorteil sei auch die Nähe zu den Räumen des Sammlers Haubrok, mit dem er sich die Besucher am Platze hin- und herschicke und Geschäftskontakte pflege. In seiner dritten Präsentation zeigt Adamski große bemalte Leuchtkästen des amerikanischen Künstlers T. Kelly Mason. Die Kästen leuchten auch nachts den Autofahrern aus Lichtenberg und Kaulsdorf den Weg und künden als erste Vorposten von der Kunstmitte Berlins.
Axel Haubrok zog mit seiner Sammlung im April 2007 in das ehemalige Haus des Kindes in den zweiten Stock. Von hier kann man leicht erhöht mit Zentralperspektive die Karl-Marx-Allee hinaus in Richtung Osten blicken. Hier »erhalten seine Arbeiten Raum und Luft, an einem Platz der wie kaum ein anderer Weit- und Großzügigkeit bietet« so Haubrok im Katalogheft zur Ausstellung. Die Aussicht genießen auch andere Neubewohner des Turms wie der Monumentalfotograf Frank Thiel oder der Galerist Jörg Johnen, der nicht weit entfernt seine eigene Dependance betreibt. Haubrok zeigt zurzeit das »storage piece« der Künstlerin Hague Yang. 2005 kaufte er am Stand von Barbara Wien auf dem Art Forum ein Konvolut an verpackten Kunstwerken, die die Künstlerin bereits an unterschiedlichen Orten ausstellte und nun ein Lagerproblem hatte. Haubrok erwarb alle ungesehen und packte sie zu der jetzigen Ausstellung gemeinsam mit der Künstlerin wieder aus. Zum Vorschein kamen Regalsysteme, koreanische Getränkekisten, verschiedenste Installationen und einige Bilder. Der Sammler scheint eine Vorliebe für solch umfassende Totalaquisen zu haben. Schon vor einigen Jahren erwarb er den kompletten Hausstand des Künstlers Florian Slotawa. Die Möbel, Kleider und Utensilien Slotawas waren vor dem Kauf Material für mehrere eigenständige Skulpturen. Warum diese Arbeit samt Künstler nicht mehr auf Haubroks Liste auftaucht, bleibt ungewiss, kooperierten die beiden doch noch erfolgreich auf der letzten Berlinbienale, bei der Slotawa wiederum Möbiliar des Sammlers zu einem turmähnlichen Gebilde stapelte. Obwohl Haubrok seinen Sammlungskatalog »No return« nennt, gäbe er seine Arbeiten dennoch weg »wenn sie nicht mehr in das Sammlungskonzept passen«, so Haubrok im Interview mit Raimar Stange. Die beiden Depotarbeiten waren sich vielleicht doch zu ähnlich?
Eva Maria Steidel ist für die Vermarktung des Gebäude zuständig und hat ihm deshalb den scheinbar trendigen Begriff Henselmann-Tower zugedacht. Das Kunst für eine Immobilienaufwertung Gold wert ist, ist auch ihr bekannt. Deshalb betreibt sie im Erdgeschoss einen kleinen Projektraum, in dem sie zum Beispiel im Juni diesen Jahres die gelungene Ausstellung der Künstler René Lück, Andrea Pichl und Thomas Ravens zeigte, die auf unterschiedliche Weise das Utopische mit dem Historischen verknüpften und deren Arbeiten deshalb sehr gut mit dem Architekturensemble Strausberger Platz korrespondierten.
Auch Steidels Schreibtisch steht mit Blick auf die Magistrale gen Osten. Sollte sie im September dieses Jahres hinunter, über den großen, runden Brunnen auf die andere Seite des Platzes geschaut haben, hätte sie zwei abgebrannte Autowracks der Marke Smart sehen können. Es waren die Firmenwagen der Allianzfiliale an der Ecke. Vielleicht, könnte sie gedacht haben, ist der Osten doch noch sehr wild. Der Pioniergeist wäre wohl umso stärker in ihr aufgeflammt.
T. Kelly Mason, „Bury me like this“ Adamski, Strausberger Platz 3, 28.9.–16.11.2007