Klima-Arbeiten

2013:Dec // Eva Scharrer

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12-2013
















Klima-Arbeiten
/ Auswahl von Eva Scharrer

Amy Balkin, „Public Smog“, 2004–fortlaufend
Amy Balkins Langzeitvorhaben „Public Smog“ hat das ambitionierte Ziel, in der Atmosphäre einen Park sauberer Luft zu schaffen. Zu den damit verbundenen konzeptuellen, ökonomischen und politischen Eingriffen gehört unter anderem die Eintragung der Erdatmosphäre als UNESCO-Welterbe. „Public Smog“ wurde im Sommer 2004 in der Troposphäre über dem südlichen Kalifornien eröffnet, indem die Künstlerin auf einem regionalen Treibhausgasemissionsmarkt das Recht auf die Emission von elf Kilogramm Stickoxid erwarb und nicht wahrnahm – eine Minimaltransaktion, die dem Markt und dem Himmel über der Region von Los Angeles eine kleine, aber messbare Menge Smog verursachender Chemikalien entzog. Diesen Raum dauerhaft zu erhalten und seine Aufnahme in das Welterbeverzeichnis zu erreichen, würde bedeuten, ihn auf die gesamte Atmosphäre auszudehnen. Um am offiziellen Bewerbungsverfahren teilzunehmen, machte Balkin eine Aufstellung sämtlicher Kriterien, nach denen die Atmosphäre ein einmaliges Gut darstellt und deshalb als Weltnaturerbe in Betracht zu ziehen ist, das Schutz und Erhaltung verdient. Die Tatsache, dass die Atmosphäre grenzenlos ist, Staaten aber nur Stätten innerhalb ihrer Grenzen nominieren dürfen, ist eine der Herausforderungen, vor denen das Projekt steht. Im Rahmen der dOCUMENTA (13) wurden Bitten um Unterstützung an 186 UNESCO-Länder versandt (eine nach Berlin), in denen diese dazu eingeladen wurden, sich einzeln oder im Rahmen eines Koalitionskomitees an die Spitze des Projekts zu setzen, um ein außergewöhnliches Verfahren voranzutreiben. Die Dokumente, die sich im Verlauf des Prozesses angesammelt hatten, wurden in einer Konzeptkunst-typischen Installation à la Darboven präsentiert. In ihnen offenbaren sich die Lücken im internationalen Recht sowie die Hindernisse, die es dem gemeinschaftlichen Vorgehen gegen Klimawandel in den Weg stellt.

Peter Fend, „Parallelprojekte.
Vorschläge für Condoleezza Rice“, 2005

Auf der Suche nach einer Synthese von Kunst und Wissenschaft gründete Peter Fend 1980 die „Ocean Earth Construction and Development Corporation“, in der Künstler, Architekten und Wissenschaftler nach alternativen Energiequellen forschen. Dazu gehört unter anderem die Entwicklung ökologisch vertretbarer Upgrades für die primären Energiequellen Kohlenwasserstoff und Hydroelektrik. Fend knüpft dabei bewusst an die Tradition der Land Art, Earth Art, der Konzeptkunst und des Happening an, wo traditionelle Formen der Kunstproduktion radikal aufgebrochen und das individuelle Kunstschaffen durch komplexere, kollektive Arbeitsprozesse erweitert bzw. ersetzt werden. Die Erde selbst wird zum Werk erklärt, in dem sich ökologische, politische und künstlerische Aspekte verbinden. Die Einzelausstellung „Parallelprojekte. Vorschläge für Condoleezza Rice“ in der Galerie Nagel in Berlin beschäftigte sich anhand einer Vielzahl von Recherchedokumenten, Landkarten und Modellen mit Themen wie der internationalen Ölpolitik und den Folgen der Ausbeutung von Rohstoffquellen zur Energiegewinnung, der Erwärmung der Erdatmosphäre, der Versteppung von immer mehr vormals fruchtbaren Gebieten und den daraus entstehenden sozialen Ungleichheiten. Obwohl sie für viele den Anschein des Utopischen haben, ist Fend fest von der Realisierbarkeit und Funktionalität seiner Projekte in Form unterirdischer Wasserkanäle oder der Gewinnung von Biogas aus Wasserpflanzen überzeugt – allerdings fehlt es wie so oft an der nötigen finanzkräftigen Lobby, die ambitionierten Projekte durchzuführen.

Olafur Eliasson, „your waste of time“, 2006
2006, im Jahr des Stern-Reports (N. Stern: „Stern Review on the Economics of Climate Change“), ließ Olafur Eliasson sechs Tonnen Eis, die von einem der größten und ältesten Gletscher in seiner isländischen Heimat abgebrochen waren, in die Berliner Galerie neugerriemschneider transportieren, wo sie von einer an der Decke angebrachten, isolierten Kühlungsmaschine bei einer konstanten Temperatur von minus sechs Grad in Form gehalten wurden. Jedes Jahr sinkt der Vatnajökull um 1 mm ab. Das 15.000 Jahre alte Gletscher­eis, durch Gletscherschmelze aufgrund globaler Erwärmung akut vom Verschwinden bedroht, wurde im Galerieraum unter erheblichem Energieaufwand – der wiederum seinen Teil zur Klimakatastrophe beiträgt – für die Dauer der Ausstellung künstlich konserviert. Gleichzeitig verwieß der unverhältnismässige Transportaufwand auf die Absurdität globalisierter Handelswege. Die Qualität der Arbeit liegt gerade im offensichtlichen Widerspruch zwischen ihrer skulpturalen Schönheit und der implizierten kunsthistorischen Referenzen von Casper David Friedrich bis zu Werken der Land Art auf der einen Seite, und ihren verstörenden ökonomischen, ökologischen wie politischen Implikationen auf der anderen.

Tue Greenfort, „Exceeding 2 degrees“, 2007
2° Celsius – dies war die Voraussage des Stern-Reports 2006 zu einer mindestens zu erwartenden Erderwärmung. Vorausgesetzt, es würden drastische Maßnahmen ergriffen, die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre unter 550 ppm zu halten. Heute sind wir bereits bei nicht mehr zu kontrollierenden 4° Celsius. In seinem Beitrag für die 8. Sharjah Biennale 2007 nahm der in Berlin lebende dänische Künstler Tue Greenfort diese längst überholte optimistische Prognose auf, um ihre abstrakte Größe durch einen visuell kaum wahrzunehmenden institutionellen Eingriff sichtbar zu machen. Er ließ die Temperatur des extrem stark klimatisierten Sharjah-Art-Museums um genau 2° hochsetzen (ein Unterfangen von ungeahntem bürokratischen Ausmaß), den resultierenden Effekt mittels eines Thermohydrographen aufzeichnen, und stellte die wöchentlich ausgedruckten Messungen im ansonsten leer belassenen Galerieraum aus. Mit der – ironielos gut gemeinten – Aktion stellte Greenfort eine einfache Ökorechnung auf: mittels der Ersparnis an Elektrizität über die Ausstellungsdauer von zwei Monaten erwarb der Künstler 6105,4125 m2 Regenwald in Ecuador.

Björn Melhus, Projektskizze „99 Luftballons zur 98. Biennale di Venezia, 2099“, 2009
Venedig, die sinkende Stadt – wir wissen es längst, doch können wir uns wirklich das Ausmaß der Prophezeihung vorstellen? Wie diese im Zuge des voranschreitenden Klimawandels in nicht allzuferner Zukunft konkret aussehen könnte, demonstrierte Björn Melhus anlässlich der 53. Venedig Biennale im Jahr 2009. An den Geländern verschiedener Brücken sollten Heliumballons angebracht werden, die das Logo der Biennale tragen sowie die Jahreszahl 2099. Die unteren zwei Drittel der Ballons sind blau bedruckt, so dass es aussieht, als wären sowohl Logo als auch Jahreszahl „bis zum Hals“ im Wasser versunken. Die blaue Linie der einige Meter über dem tatsächlichen Wasserspiegel – und einige Zentimeter über Augenhöhe der potenziellen Besucher – schwebenden Ballons markiert den Wasserpegel, den Venedig im Jahr 2099 zur 98. Biennale tatsächlich haben könnte. Mit diesem Vorschlag zu einem spielerischen Eingriff in den öffentlichen Raum verweist Melhus auf die durchaus ernstzunehmende Katastrophe.

Christine Würmell, „Dissonanzproduktion“, 2009
Mit der Installation „Dissonanzproduktion“ für das Foyer der Temporären Kunsthalle Berlin bezog sich Christine Würmell explizit auf den Klimawandel und seine gesellschaftlichen Folgen und setzte dabei unterschiedliche Referenzsysteme aus Kunst und mediatisiertem Alltag zueinander in Beziehung. Künstlerische, politische, wissenschaftliche und statistische Aussagen überlagern sich, werden retuschiert und in neue Zusammenhänge überführt, wodurch ihre Interpretation bewusst manipuliert wird. Zunächst wurde der dunkelgrau gehaltene ehemalige Garderobenraum mit weißen Farbbomben bombardiert und so in eine Art white cube verwandelt, an dessen Rückwand jedoch noch deutlich die Spuren des aktivistischen Angriffs sichtbar waren. In dem Weiß waren graue Rechtecke ausgespart, in die Fotografien von Medienbildern und farbigen Infografiken (diese waren vorher auf Leinwand und Wand gesprayt und abfotografiert worden) gesetzt waren, die wiederum von gesprayten Parolen – politische Graffities, die die Künstlerin im Stadtraum dokumentiert hatte – überschrieben wurden. „Alle Autos in die Antarktis“ lesen wir zum Beispiel über einem Medienbild von Schwarzeneggers Unterzeichnung des „Global Warming Solutions Act“ (2006), das mit dem Slogan „California Leaders Ending Global Warming“ glauben machen will, dass tatsächlich irgendetwas gegen den Klimawandel geschähe. Das Diptychon „Futures“ entstand nach einer – bereits nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechenden – Grafik zur Erderwärmungsprognose und visualisiert anhand von fünf Kurven fünf mögliche Zukunftsszenarien. Auf der einen Seite sehen wir den ausgescnittenen Teil als rein abstrakte Malerei (die Leinwand, die nach dem Besprühen von der Wand entfernt wurde), auf der anderen die Negativstelle mit den Sprayspuren, auf die der Informationsgehalt der Grafik eingetragen wurde. In einer bewussten Kombination von „symbolischer“ und „dialektischer“ Collage (Rancière) verschränkt Würmell hier ästhetische, kulturelle und politisch-aktivistische Diskurse zur Eröffnung neuer Denkräume.

Ulrike Mohr, „Welt-Kataster“, 2010
Die Berliner Künstlerin Ulrike Mohr beschäftigt sich in einer Reihe von Arbeiten mit dem Werkstoff Kohle und dem praktisch ausgestorbenen Handwerk des Köhlerns, das sie sich selbst angeeignet hat und zur Herstellung künstlerischer Arbeiten praktiziert. Die für den Raum für Junge Kunst in der Autostadt Wolfsburg konzipierte Arbeit „Welt-Kataster“ bezieht sich auf eine wissenschaftliche Studie, nach der durch das Eingraben von eigens gebrannter Biokohle in die Erde Kohlendioxid gebunden werden kann. Dies wäre Klimaforschern zufolge eine ökologisch verträgliche Möglichkeit, den CO2-Ausstoß in der Atmosphäre zu reduzieren. Dafür müssten jedoch unermessliche Mengen an Holz weltweit geköhlert werden, und noch ist das Verbrennen von Kohle profitabler als das Vergraben. „Welt-Kataster“ besteht aus einem mit weißem Papier bedecktem Tisch, auf dem sich geometrische Objekte aus Holzkohle in unterschiedlicher Form und Größe befinden. Die Anordnung der kleinen Kuben und Quader lässt an architektonische Modelle aus der Stadtplanung denken, an eine dreidimensionale Infografik einer Weltkarte, oder an ein Brettspiel, in dem es darum geht, durch Platzierung der eigenen Spielsteine Landstriche strategisch zu besetzen. Mohr verwendete für die Arbeit keine selbstgeköhlerte Kohle, sondern handelsübliche Heizwahre, die sie durch säuberliches Zuschleifen skulptural bearbeitet hat. In den Kunstkontext überführt, werden die Kohlestücke – selbstverständlich rein symbolisch – dem umweltschädlichen Prozess des Verfeuerns entzogen. In ihrer minimalistischen Ästhetik – man denke etwa an Robert Morris – stellt die Arbeit fundamentale Fragen nach der kulturellen und archäologischen Bedeutung von Wäldern, der Vermessung, Verteilung und Nutzung von Land, und nach der zwiespältigen Eigenschaft von Kohlestoffverbindungen, die ja einerseits die molekulare Grundlage allen Lebens auf der Erde bilden, gleichzeitig aber auch zu dessen Zerstörung beitragen.

Dan Peterman, „La Plage (Plastic Bones)“, 2011
Seit Mitte der 1980er Jahre arbeitet Dan Peterman als Künstler und Aktivist an der Schnittstelle von Kunst und Ökologie. Das Thema Recycling und alternative Ökonomien stehen dabei im Zentrum seiner auf Nachhaltigkeit und Kollektivität basierenden Praxis sowie seines ästhetischen Interesses. In der 2011 für die Berliner Galerie Klosterfelde geschaffenen Installation beschäftigte sich Peterman wie in vielen vorangegangenen künstlerischen Arbeiten mit der Wiederverwertbarkeit von Plastik. Der gesamte Boden der Galerie war mit knochenförmigen Modulen aus recyceltem Plastik bedeckt. Die einzelnen Elemente waren so geformt, dass sie wie Pflastersteine ineinander passten, jedoch wichen sie minimalst in Form und Farbe voneinander ab, was mit der Unterschiedlichkeit des recycelten Ausgangsmaterials und dem willkürlichen Prozess des Sammelns, Granulierens, Einschmelzens und Neuformens zu tun hat. Die einzelnen Elemente des modularen Materialsystems waren lose gelegt und konnten von den Zuschauern beliebig zu neuen Konfigurationen arrangiert oder gestapelt werden – ein Spielfeld der endlosen Möglichkeiten, bei dem immer ein Teil ins andere passt. Der Titel erinnert an den berühmten Ausspruch der Pariser Situationisten, dass unter dem Asphalt der Strand läge („Sous les pavés, la plage“). Gleichzeitig repräsentieren die „Plastikknochen“ mit ihrem Vorrat an Erdölchemikalien den unerschöpflichen Konsumszwang unserer kapitalistischen Industriegesellschaft und die Verschmutzung der Meere und Strände dieser Welt durch die Mengen an weggeschmissenem Plastik. Der negativen Konnotation setzt Peterman jedoch frei nach Roland Barthes in „Mythologies“ (Paris 1957) das Potenzial von Plastik zur unendlichen Transformation entgegen.
Public Smog, 2004 (© Amy Balkin)
Parallelprojekte. Vorschläge für Condoleezza Rice, 2005, Courtesy Galerie Nagel (© Peter Fend)
Your Waste of Time, 2006, Courtesy neugerriemschneider (© Olafur Eliasson)
Exceeding 2 degrees, 2007, Courtesy Johann König und 8. Sharjah Biennale (© Tue Greenfort)
Projektskizze „99 Luftballons zur 98. Biennale di Venezia, 2099“, 2009 (© Björn Melhus)
Dissonanzproduktion, 2009, Temporäre Kunsthalle, Berlin (© Christine Würmell)
Welt-Kataster, 2010, Courtesy Junge Kunst e.V., Wolfsburg (© Ulrike Mohr)
La Plage (Plastic Bones), 2011, Courtesy Klosterfelde, Berlin (© Dan Peterman)
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