Lehre und noch was anderes

2013:May // Hermann Gabler

Startseite > 05-2013 > Lehre und noch was anderes

05-2013














Lehre und noch was anderes
/ Austausch und Tauschwert

Lehre in der Kunst findet hauptsächlich an der Kunstakademie statt. Dass nicht jeder erfolgreiche Künstler studiert hat, ist auch nicht neu. Aber was heißt Erfolg?
Die gesellschaftliche Nische der Kunstakademie resultierte nach dem Krieg aus der Schnittmenge von Politikerinteressen und Interessen von Künstlern. Und dann existierte die Nische erstmal wieder. Sie wurde kaum durch Politiker, sondern durch Kunstweltkonventionen geregelt, und außerdem durch eine surrealistische Kombination von Lehrenden, die für Studenten durchaus fruchtbar sein kann. Aber auch, wenn Studenten nur bei einem einzigen Professor studierten und der Lehrkörper durch „Koexistenz oder Noexistenz“ bestand, stellt sich jetzt heute, weil die Bedingungen außerhalb der Nische verändert worden sind, für die Nische die Frage nach dem inneren Zusammenhang neu. „New world order.“

Früher war es so, dass der Lehrer zu den Schülern sagte: „Macht mal was!“ und dann: „Du eignest dich wahrscheinlich dafür, und du, du wirst am Besten das.“ Aber man konnte sich auch einfach so mit dem Identifikationsmuster „Künstler“ identifizieren. Als die heutigen Professoren in den 1950er, 60er, 70er, 80er Jahren an Akademien studierten, oder nicht, war man sich in der Kunstwelt relativ einig: Kunst ist etwas Eigenes, d.h. nicht dasselbe wie Religion, Wirtschaft oder Sprache. Tatsächlich existierte nicht einfach nur eine vage Vorstellung von Kunst, sondern die ganze Kunstwelt arbeitete zusammen und gegeneinander, um das immer wieder neu zu definieren. So veränderte sich das „What you expect from it“, während „change“ blieb. Der Satz „Art is to change what you expect from it“ stammt aus den 60er Jahren von dem Galeristen und Promoter der „concept art“ Seth Siegelaub. In den postmodernen 80ern war derselbe Satz der Slogan der Galerie Paul Maenz in Köln (siehe Bild oben von Rob Scholte). Das heißt, als in den 80er Jahren vorgeführt wurde, wie „change“ zu „money“ wird, war „money“ also noch doppelt kodiert. Das heißt, die Münze war immer noch auch Kunst.

Dann schien diese Münze aber, wie bei Nietzsches Gleichnis „Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne“ (1873), ihr Bild verloren zu haben und nun als Metall, nicht mehr als Münze, in Betracht zu kommen. Aber auch die Münze ohne Bild hat zwei Seiten. Sie kann hier auch als Metapher für ein bestimmtes Spektrum von Effekten stehen. Zum Beispiel für unverbindliches Entertainment, genauso wie für Kunstwerke, die als Modelle für Manager instrumentalisiert werden – um das Out-of-the-box-Denken zu fördern. Wobei sich die Werke dann genauso in der Box wiederfinden wie die unter Umständen tatsächlich als „Buddies“ für Manager – zeitlich begrenzt – angestellten Künstler auch.
Die Metapher der Münze ohne Profil weist also immer noch auf eine doppelte Funktion: erstens – wie alles –, finanziellen Gewinn zu generieren und zweitens, zu camouflieren. Hinter dem, was Adorno und Horkheimer „Kulturindustrie“ und „Aufklärung als Massenbetrug“ nannten, steht die Ideologie des Kapitalismus, die getarnt werden soll, damit der Kapitalismus wie natürlich scheint. Und hinter dieser Ideologie steht nichts. Der Glaube ans Geld hat, weil Geld letztendlich nur durch Geld gedeckt ist, religiöse Züge.
Dagegen ist für die meisten Künstler Geld aus einem anderen Grund Dauerthema. Nicht nur, dass das Ausstellen von Kunst doppelt codiert ist, Künstler mussten schon immer neben ihrer Kunst auch Jobs machen, z.B. Taxifahren, in Museen arbeiten, oder eigene Betriebe ganz anderer Art unterhalten …  Fautrier z. B. soll, einem Gerücht zufolge, zeitweise ein Bordell betrieben haben. Das Verhältnis von Kunst und Leben kann pragmatisch sein. Der Rest wird verhandelt.

Nach Maßstab der Wirtschaft jedoch ist der Künstler Unternehmer. Wenn er nichts verkauft, ist er ein Amateur.
Die Lehre war so ziemlich der einzige Bereich in dem es feste Anstellungen für Künstler gab. In den USA wurde die Lebenszeitprofessur nach der McCarthy-Ära eingeführt, um die politische Unabhängigkeit der Lehre zu garantieren. Inzwischen haben Politik und Wirtschaft keine Probleme, Künstler auf der einen Seite zu romantisieren und – natürlich – auf der anderen als Zeitarbeiter auch für alles Mögliche einzusetzen. Beides ist verkehrt. Wirtschaftsmanager und Politiker sind keine Künstler. Und das gilt auch für das Gros von Kunsthallenchefs, Kuratoren, Kulturmanagern … Dass „Künstler“ jetzt ebenfalls gleich Kulturindustrie ist, macht die Dinge für den Künstler nicht besser. Wenn es keine hohe Kunst oder Kunst in dem Sinne mehr gibt, das heißt, wenn diese nicht mehr verkauft werden kann, und auch das Ausstellen davon nicht mehr viel bedeutet, dann steht das frühere Rollenverständnis in Frage, während die gesellschaftliche Legitimität als Professor nach außen noch gewährleistet bleibt.
Früher sagte der Lehrer: „Macht mal was!“ und dann: „Du eignest dich dafür, und du, du wirst am besten das.“
Aber wenn es keinen Lehrer gibt?
Dann muss der Schüler der eigene Lehrer sein.
Was womöglich kein schlechter Moment ist, in einer vielleicht gar nicht so schlechten Zeit, um sich für Kunst zu interessieren.
Mastercard, 1986, 175 x 175 cm, Acryl auf Leinwand (© Rob Scholte)
Microtime für Seitenaufbau: 1.26751589775