Ein Pressetext von hundert

Subjektive Analysen von selektiven Verständnislosigkeiten aus anonymen Pressemitteilungen

2013:Dec // Peter K. Koch

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12-2013














Ein Pressetext von hundert
/ Subjektive Analysen von selektiven Verständnislosigkeiten aus anonymen Pressemitteilungen
 
1.
Jede neue Arbeit von ihm ist ein weiterer Versuch, dem inneren Drang nach Ausdruck bestimmter Gefühle eine Form zu geben.

Den Satz könnte man schnell mal überlesen in einer Presse­mitteilung. Das wäre allerdings sehr schade, denn hier steckt ja doch einiges drin, worüber man nachdenken kann. Schauen wir doch mal ganz genau hin. Liest man den Satz mehrmals hintereinander, dann fragt man sich unwillkürlich, ob der Künstler vorher, also in seinen vorangegangenen Arbeiten, lediglich gefühllose Kunst gemacht haben könnte. Würde sonst so ausdrücklich von „jeder neuen Arbeit“ die Rede sein? Da wird man ja stutzig. Aber vielleicht sollte lediglich darauf hingewiesen werden, dass es sich überhaupt um neue Arbeiten handelt. Trotzdem, klingt irgendwie verdächtig. Danach wird es aber ganz grimmig. Der Künstler hat „einen weiteren Versuch“ unternommen, seinen Drang nach Ausdruck, Gefühl, Form zu geben. Ich möchte da nicht zu weit gehen, aber ist das nicht eine der Grundvoraussetzungen für die Kunstproduktion? I mean in total. Und zwar eher in der Reihenfolge: Gefühl, Drang, Ausdruck, Form. Noch viel wohler wäre es mir, wenn es nicht nur bei einem „weiteren Versuch“ bleiben würde, sondern wenn da zuverlässig das Gefühl-Drang-Ausdruck-Form-Ding passieren würde, denn „ein weiterer Versuch“ klingt doch sehr danach, als hätte es bisher nicht ganz so zu­verlässig geklappt. Immerhin verspürt der Künstler also einen „inneren Drang“. Was wäre denn eigentlich das Gegenteil? Ja, der äußere Drang, der dann wahrscheinlich Druck heißt. Kann denn überhaupt ein äußerer Drang/Druck zu einem Kunstwerk führen? Aber sicher. Äußerer Druck könnte zum Beispiel der Geld-Druck sein, oder viel schlimmer noch, der Diktatur-Druck, was aber letztlich ja fast das Gleiche ist. Die Betonung des „inneren Drangs“ klingt leider trotzdem unfassbar schwülstig nach 19. Jahrhundert und Michael Koolhaas. Es dräut sich, gedrängt im heißen Denkbeutel, was zusammen und gedrückt von diesem „inneren Drang“ möchten/wollen/müssen dann „bestimmte Gefühle“ ausgedrängt werden. Das mit den „bestimmten Gefühlen“ gefällt mir allerdings wieder, weil ich selbst immer nur „unbestimmte Gefühle“ ausdrücken kann und auch darunter leide. „Bestimmte Gefühle“ sehen bestimmt viel besser aus als „unbestimmte Gefühle“ und erzählen auch ganz bestimmte Geschichten und keine unbe­stimmten. Wie auch immer, am Schluss ist ja immerhin die „Form“ da. Und ganz egal, wie scheußlich die auch immer aussehen mag, dieser fertigen Neuigkeit ist der weitere Versuch vorausgegangen, den Drang in einen Ausdruck von Gefühl zu ver-, na, jawohl, zu verformen.
 
2.
In seinen Installationen und Arrangements versucht er stets, einen Eindruck von Authentizität zu erzeugen.

Das klingt wie in einem meiner ersten Arbeitszeugnisse: „Herr K o c h hat sich stets bemüht, pünktlich zu sein“. War halt nicht immer pünktlich, der Herr K o c h. Der Autor dieses Pressemitteilungs-Zeugnisses, ich hoffe er wurde nicht auch noch von dem bemitleidenswerten Stets-Versuchs-­Künstler bezahlt, der hat wohl leider in „seinen“ Werken keine „Authentizität“ spüren können, aber vielleicht hat er sich ja eben­falls immerhin bemüht. Lieber Pressemitteiler, du bist gefeuert!

3.
Entscheidend für die Motivauswahl und die Wirkung seiner Bilder sind Gefühle und Emotionen wie Hoffnungslosigkeit, Tristesse, Melancholie, aber auch Humor und Absurdität.

Hier drängen sich mir unwillkürlich mindestens zwei Fragen auf. Erstens: Was war jetzt noch Mal genau der Unterschied zwischen Gefühl und Emotion? Das Gefühl ist eher in mir drin und die Emotion ist das, was sich nach außen lasse, oder? Ja, selbstverständlich ist das so, aber trotz allem erscheint mit die kunstbeschreibende Verwendung eines Terminus wie „emotionale Gefühle“ oder „gefühlte Emotion“ etwas sehr heikel. Da duselt es gewaltig, innerlich. Verkürzt lese ich sowieso nur noch: „Entscheidend für die Wirkung seiner Bilder sind Gefühle und Emotionen“. Und das klingt dann wirklich wahnsinnig bescheuert. Und zweitens werde ich den Verdacht nicht los, als würde es sich bei einer Aufzählung dieser Gefühle (oder Emotionen) hier: „Hoffnungslosigkeit, Tristesse, Melancholie, Humor, Absurdität“ um eine Sesamstraßen-finde-den-Fehler-Aufzählung handeln, die sich in etwa hiermit vergleichen ließe: blau, grün, gelb, rot, Banane. Absurdität ist doch kein Gefühl! Das ist ein Phänomen, Honey. Gut, Humor würde ich auch eher als Charaktereigenschaft einstufen, aber na ja, geht gerade noch so als Emotion/Gefühl/Emotion durch.
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