Ellen Blumenstein

KW

2013:Dec // Anna-Lena Wenzel

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12-2013
















Expansion und
(Selbst-)Exponierung
/ Ellen Blumenstein in den KW

Die KunstWerke in Berlin haben eine neue Chefkuratorin und schwupps wird alles anders! Da werden die Räume entkernt, ein neues Corporate Design entwickelt, neue Veranstaltungsformate und Kooperationen angekündigt. Ellen Blumenstein will die KW zu einem agilen, lebendigen Ort der Diskussion und Produktion machen. Konzeptuelle Stichworte: Institutionskritik, Side-Specifity, (Stadt)Politik, Prozessualität. Blumensteins Interesse gilt den Rändern des Kunstfeldes, die wie ein Spiegel die Normativität des Zentrums offenlegen. Sie knüpft damit an ihre Aktivitäten im Salon Populaire und bei Haben und Brauchen an. Mit der Kuratorin Blumenstein wurde jemand berufen, der nicht nur der Institution KW durch langjährige Mitarbeit verbunden ist, sondern auch die Kunstszene der Stadt sehr gut kennt und bestens vernetzt ist. Es verspricht ein berlinspezifischeres Programm, aber auch ein engagierteres in Bezug auf die Berliner Kulturpolitik zu werden.
Gibt sie den KW damit einerseits eine neue Identität, knüpft sie andererseits an das Programm der KW unter Susanne Pfeffer an. Auch diese wilderte gerne in den Grenzbereichen der Kunst, zeigte Filme, Comics und zuletzt Performance. Was Susanne Pfeffer zudem beherrschte, war die Arbeit mit den Ausstellungsräumen – vielleicht weniger institutionskritisch als Blumenstein dies in ihrer Auftaktausstellung anstrebt, aber doch so, dass immer wieder die Architektur und Normativität der Räume verändert wurde.
Blumenstein will aber noch mehr. Sie möchte die Institution KW aus- und durchleuchten und sie nimmt sich und ihre Rolle als Kuratorin dabei nicht aus. In der Pressekonferenz erklärt sie, es ginge ihr – vor allem in der Auftaktausstellung – auch um die Reflexion der Erwartungen an sie als Kuratorin und ein Transparentmachen der eigenen Arbeit und deren Umstände. Dazu gehört die Abhängigkeit von Drittmitteln und die daraus resultierende Planungssicherheit für Ausstellungen und Umbauten.
Die Reflexion ihrer Kuratorenrolle setzt sie auf zweierlei Weise um: Durch die Kommentare, die Nedko Solakov im ganzen Haus verteilt hat und die aus Gesprächen und einem Rundgang mit der Kuratorin entsprungen sind. Und dem Avatar, den sie sich zugelegt hat (eine Arbeit von Ulf Aminde und Sabine Reinfeld). Sich so in den Mittelpunkt zu stellen ist mutig – aber nur konsequent, wenn man die eigene Rolle im Offenlegen der institutionellen Strukturen nicht ausklammern will. Man sollte es nicht als Platzhirschgetue abtun, sondern als selbstkritische permanente Befragung verstehen, denn Blumenstein macht sich durch diese Haltung auch sehr angreifbar.
Dieses „Duchsichtigmachen“ der Kuratorenrolle erinnert mich an Roger Buergel und Ruth Noack, die Kuratoren der documenta 12. Statt als unangreifbare Autorität aufzutreten, betonten sie die Subjektivität ihrer Entscheidungen, versuchten Eindeutigkeiten und Kategorisierungen zu vermeiden. Diese Haltung wiederum wurde als künstlerischer Privatkosmos kritisiert. Dabei wurde jedoch übersehen, dass genau diese Subjektivierung der Betrachtung den Betrachtern ebenfalls die Freiheit überträgt, eigene, subjektive Zugänge zur Ausstellung zu finden.
Ähnlich wie Buergel/Noack, die die Ausstellung in die Stadt verlängerten und politisch in sie hineinwirkten, die die Ausstellung während der Dauer veränderten und den Prozess betonten und die institutionellen Strukturen und Architekturen offenlegten, geht Blumenstein in ihrem ersten Projekt mit dem Titel „Relaunch“ vor. Mehrere wechselnde, ineinandergreifende Ausstellungen werden von zahlreichen Veranstaltungen flankiert, in denen die neuen Reihen und zukünftigen Partner wie arch+ oder diaphanes vorgestellt werden. Zudem gibt es räumliche Eingriffe, eine neue Grafik. Den Auftakt machte die Teaser-Ausstellung, in der ein Ausblick auf Kommendes geboten wurde. Es folgten: die erste institutionelle Ausstellung von Kader Attia, das „Living Archive“ in Kooperation mit dem Arsenal, ein Performance-Wochenende zum Thema Wetten.
Blumenstein fordert den Besucher mit diesem dichten Programm – die Gefahr der Überforderung liegt nahe, ebenso die der eigenen Überarbeitung. Es wäre Blumenstein zu wünschen, dass sich bei der Reflexion der eigenen Rolle keine blinden Flecken einschleichen, und die kritische Auseinandersetzung mit dem Kunstfeld nicht vor den Arbeitsbedingungen im eigenen Haus und den dort herrschenden Konditionen haltmacht.     

„Relaunch: Teasers“, KW, Auguststraße 69, 10115 Berlin, 1.5.2013–26.5.2013

Sabine Reinfeld und Ulf Aminde „Insistere #7_Don't Fuck with my Name (Hacking the Curator)“ (© )
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