Sprüth Magers etc.

2009:Feb // Barbara Buchmaier

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02-2009
















Im Kopf stelle ich mir die geografische Konstellation wie eine Raute vor. Vier Eckpunkte der Kunst umschließen seit geraumer Zeit die Berliner Museumsinsel. Die verbindenden Linien könnten in etwa die Form eines auf der Spitze stehenden Rhombus ergeben: im Süden seit Herbst 08 die Temporäre Kunsthalle am Schlossplatz – im Osten seit Sommer 08 die Buchhandlung König-Zentrale – im Westen, als Pionier an der Raute, seit Herbst 07 Heiner Bastians Haus mit CFA, den Sammlungen Christiane zu Salm und Bastian – und im Norden, hinter dem Monbijoupark, in der Oranienburger Straße 18 seit Oktober 08 die Galerie Sprüth Magers mit ihren stolzen 1.800 qm. Den Eröffnungen dieser vier kommerziell betriebenen Orte der Kunst, die vom Charakter und der unmittelbaren Umgebung trotz geografischer Nähe zueinander und auch zur Museumsinsel und den ihr zuströmenden Touristenströmen, eher heterogen denn homogen erscheinen, ging in der Berliner Szene ein gewisser Rumor voraus. Hysterisierende Fragen wie: „Wer hat den Größten?“ oder „Wer hat den Schönsten?“, zunehmend jedoch auch kritische Einwürfe wie „Wie sollen die Künstler das bitte angemessen füllen?“ oder, spätestens einhergehend mit der sich andeutenden Finanzkrise auch mal ein panisches, an den Realitätssinn appellierendes: „Wie wollen die das eigentlich bezahlen?“ machten die Runde, gerade als auch Petzel Capitain in der Karl-Marx Allee äußerst weitläufige Räume eröffnet hatte (Monatsmiete angeblich 12.000 Euro) – und damit die Großen aus Köln fast vollständig in Berlin eingezogen waren.

Die Galerie Sprüth Magers schaffte es mit ihrer Eröffnung jüngst bis in die BZ: „Bei Monika Sprüth sprüht die Kunst“ lautete der Titel des Artikels: „Großer Andrang in der neuen Galerie Sprüth Magers an der Oranienburger Straße. Halb Berlin schien am Wochenende zur Eröffnung der Ausstellungsräume geströmt zu sein. Dort feierten die erfolgreichsten und wichtigsten deutschen Avantgarde-Galeristinnen Monika Sprüth und Philomene Magers (Köln/London) die Einweihung ihres Berliner Showrooms auf drei Etagen. Sammler, Künstler, Art-Freaks – alle bewunderten Berlins neuen Kunst-Tempel in minimalistischer Waschbeton-Ästhetik.“ (BZ vom 19.10.2008).

Irritation: „Monika Späth“ am „Barbiestrich“?

Ich war irritiert, als mir ein Mitarbeiter von Sprüth Magers 2007 erzählte, dass die Galerie, deren Absicht nach Berlin zu ziehen bereits bekannt war, vermutlich in der Oranienburger Straße eröffnen würde. Irritiert, weil die Oranienburger Straße (auch „O-Burger“) sich seit ein paar Jahren als krude Collage aus Eros-, Fress-, und Shoppingmeile präsentiert, als Mittes „Schmuddelecke“, in der ich mich selbst wie eine Touristin fühle. Warum sollte sich eine so etabliert wie ­seriös erscheinende Galerie Sprüth Magers ausgerechnet am so genannten Barbiestrich – die Prostituierten sind hier meist blond und uniformartig mit Corsage und hohen Stiefeln bekleidet – zwischen Tacheles, Tabledance, Kunsthof und Edelramsch platzieren? Reichte den Galeristinnen der damals nur noch ansatzweise gültige „Mitte“-Bonus, die Nähe zur Museumsinsel, zu C/O Berlin mit seinen populistisch aufgemachten Fotoausstellungen? Oder spielten solch problematisierenden Gedanken gar keine Rolle, weil es bereits um eine bestimmte (die heutige) Immobilie ging. Diese Information erhielt ich jedoch erst später. Aus meiner Sicht erscheint es nun zwar kurios, nicht aber unerwartet, dass die Galerie Sprüth Magers im aktuellen Flyer „hackescher-markt.de. Shoppingguide Berlin“, das in vielen Läden in der O-Burger ausliegt, unter dem Firmennamen „Monika Späth“ gelistet ist, schlicht ergänzt durch ein Bilderrahmen-Piktogram.

Prä-Sprüth Magers

Aktuelle Recherchen im Netz ergeben u.a. folgendes zur Geschichte des Gebäudes Oranienburger 18: es wurde 1842 unter dem Namen „Therbud’sche Ressource“ als Wohn- und Clubhaus mit Ballsaal und Gartenrestaurant erbaut. 1844 gründete sich dort der Berliner Handwerkerverein, 1857–61 wurde das Gebäude von der Börse genutzt, später, 1946, zog das Institut für Psychologie der Humboldt-Uni ein. Seit Ende 2003 (also erst vor knapp 5 Jahren) führte die „Berlin-3D-Art“ vor dem noch unsanierten Gebäude den durchaus alternativ gemeinten „Straßenverkauf Oranienburger 18“ mit kleinformatigen, fröhlich-selbstgebastelten Kunstwerken durch. „Der Verkaufsstand liegt ca. 5 min zu Fuß östlich der Neuen Synagoge in Höhe Oranienburger Str. 18. Die vergitterten Fensternischen bieten hervorragende Möglichkeiten zur Präsentation der verschiedenen 3D-Kunstprodukte. Herr Dr. Schubert betreibt den Verkaufstand an schönen Sommerabenden ab ca. 18 Uhr und baut ihn ca. 10 min nach Eintreffen der ersten Prostituierten bei Sonnenuntergang wieder ab. Bitte fragen Sie gerne auch telefonisch nach dem nächsten Verkaufstermin (030/6953 2877 oder 0172/3235121)“, zeugt die Website „ http://www.berlin-3d-art.de/StreetSale.htm“ bis heute. Spätestens seit April 04 wurde das damals noch zu Humboldt-Uni gehörende Haus zum „Sozialen Zentrum“ für linke Gruppen, die es besetzten und am 3.4.04 in einem bitteren Straßenkampf vor einer Hundertschaft der Polizei und deren Wasserwerfern verteidigten.

Nüchternes Graublau

Nähert man sich heute dem erst kürzlich durch die für ihren am Gebrauch ausgerichteten Stil bekannten Architekten Barkow Leibinger denkmalgerecht umgestalteten Gebäude, begegnet man einer nüchternen graublauen Fassade mit großen Glastüren und hohen Fenstern im EG, die Einblick in den zu Sprüth Magers gehörenden DVD-Shop „Image Movement“ ermöglichen. Den der Galerie zugeordneten Ausstellungsbereich erreicht man über einen hellen Flur, von dem rechts die leider fenster- und gesichtslosen Präsentationsräume von Schellmann Sprüth Magers Art Production Berlin abgehen, eine Kooperation, in der die beiden Kunstanbieter Editionen produzieren und zum Verkauf anbieten (aktuell Digitalprints von David Lamelas). Die tatsächlichen Galerieräume, die über zwei Etagen reichen, überraschen dann im hinteren Teil des Hauses durch ihre schiere Größe: den zentralen Ausstellungsraum findet man im ehemaligen Ballsaal, der jetzt als beinahe klassischer „White Cube“ im Größe XXL firmiert: eine sieben Meter hohe und mit den Nebenräumen etwa 600 qm Fläche umfassende Halle mit sechs großen Fenstern zur Rückseite. 6 × 6 Neonröhren, in gleichmäßigem Raster über die Decke verteilt, beleuchten den geradlinigen Raum, der, wie die gesamte Galerie, durch Fußbodenheizung beheizt wird. Der Ausblick fällt auf eine parkartige Anlage mit Spielplatz („Krausnickpark“) und bleibt dann an Brandmauern und Wohnhausfassaden hängen: pures Kontrastprogramm zur sterilen Galerieatmosphäre. Im zweiten Stock, den man über einen sleeken Treppeneinbau erreicht, erwartet einen ein tendenziell normaler Maßstab: im „Kabinett“ werden parallel zum Programm im EG kleinere Ausstellungen präsentiert. Es laufen also parallel immer zwei Shows. Eine Zusammenführung der ehemaligen Galeriestandorte München und Köln kann man in dieser Programmatik erkennen. Wie auch sonst könnte man stolze 39 Galeriekünstler in dieser „Kunsthallen-Galerie“ halbwegs sichtbar und effektiv präsentieren? Spätestens hier ergibt sich dann wohl die Frage, welche der Künstler genug Content, Sensation und Rendite verheißen, um den großen Ausstellungssaal effizient zu halten. Bisher waren es Thomas Scheibitz  und Fischli/Weiss. Dass die Galerie Sprüth Magers (laut Website des involvierten Immobilienentwicklers Copro, der auch die Edison-Höfe betreut) ihre insgesamt 1800 qm für zehn Jahre angemietet hat, zeugt von relativ langfristigem Denken und vom Glauben an die eigene Potenz, die eigene Sustainability sowie die der Künstler, der Kunden und Kooperationspartner sowie des Standortes Berlin.

Erst Hysterie dann Hysterese

Hysterisierende Fragen wie: „Wer hat den Größten?“ „Wer hat den Schönsten?“ scheinen sich im Moment erschöpft zu haben. Allerspätestens mit der Finanzkrise, aber genauso ausgelöst durch die Omnipräsenz und das nicht zu bewältigende Angebot von Kunst unterschiedlichster Qualitäten an diversesten Standorten kann man in Berlin eine „Hysterese“, eine veränderte Haltung der Kunst und dem Kunstbetrieb gegenüber ausmachen: mehr Lässigkeit dem breiten, dem spektakulären Angebot gegenüber, stattdessen eine Konzentration auf die eigene Szene, das eigene Tun. Folgende, nicht unbedingt neuen Beobachtungen und Überlegungen erscheinen mir gerade jetzt markant: Sehen wir in den großen privaten Galerieräumen nun regelmäßig Wanderausstellungen, übernommen aus oder konzipiert für Museen, oder die Privatsammlungen der Galeriekunden? Welche Personen besuchen Galerien und mit welcher Absicht? Mit welchem Vermittlungsanspruch arbeiten Galerien heute? Wünscht sich eine Galerie Laufpublikum oder soll es nur der Collector (= „Kollektor“?) sein, der sich die perfekt inszenierten Ausstellungs- (und auch Büro-)Szenarien ansieht und ihre Codes knackt? Passend hier die Beobachtung, dass die Galerie Sprüth Magers, genau wie viele ihrer Konkurrentinnen, ihre gesamten Flächen während der Öffnungszeiten konstant beheizt und beleuchtet, obwohl vermutlich nur ab und zu Besucher da sind. Liegt die Zukunft der privaten Galerie also im allzeit bereiten, perfekt inszenierten White Cube ohne Betrachter, den erst der potentielle, der konkrete Kunstkäufer vervollständigt? Abschließend meine zentrale Frage: Wer sind die Fans, die Kritiker, die Kuratoren, wer sind die Kunden, die ein Ambiente wie das von Sprüth Magers, CFA oder Petzel Capitain brauchen, suchen oder provozieren, um von der Kunst angefixt zu sein?  

(Hysterese: Das Zurückbleiben einer Wirkung hinter der sie verursachenden veränderlichen physikalischen Größe)
Fassade (© Foto: Andreas Koch)
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