Statt um die Klischees zu tänzeln, hüpfen Gregor Hildebrandt und Alicja Kwade lieber mitten rein.
Im Atelier des irgendwie-noch-immer-Berliners Olafur Eliasson kuratieren beide eine Ausstellung, bei der, neben ihnen beiden, lediglich KünstlerInnen teilnehmen, die nicht – ob nun noch nicht oder eher nie – von ihrer Arbeit oder ihren Arbeiten leben konnten.
Um dieses Klischee vollends auszureizen, müssen diese dann möglichst für andere Künstler arbeiten, bei einer Kunstspedition oder von Stipendien ganz knapp über Wasser gehalten werden; mindestens jedoch über 10.000 Euro in den Miesen sein. Oder eine dieser Tatsachen so glaubhaft behaupten, dass temporäre Realität entsteht.
So bespielt Christian Schwarzwald die gesamte Küchensituation sowie den ausgedehnten und charmanten Essensbereich. Mit gestischen, konstruierten, riesenhaften Pinselstrichen, die mit ihren grellen Farben das ganze Essen kontrastieren, gestaltet er seine eigenen Hintergründe. Darauf platziert er in typischer Manier etliche Zeichnungen, von denen Eingeweihte glauben, es handele sich um tendenzielle, nicht jedoch tendenziöse, Portraits des Mitarbeiterstabs des Ateliers. Wär doch aber lustig!
In der riesengroßen Metallwerkstatt hängen normal große Bilder von Klaus Jörres, auf denen er, im Gegensatz zu(m) Schwarzwald recht pastellig arbeitet. Seine linien- und rasterhaften Bildoberflächen erinnern visuell an eine industrielle Ästhetik, auf die kontrastierend gestisch (ha, hier wieder das Schlüsselwort!) aufgesprüht wurde, eben aber in Pastell. Eine gewisse gesunde Strenge ist den Werken jedoch definitiv nicht abzusprechen.
In den Büros, und das sind natürlich ein paar Meter Wände, wurden nur und ausschließlich ebenso eigens für diese Ausstellung geschaffene Arbeiten von Stef Heidhues installiert. Sie hat die Einrichtung jedes Raumes der einfachsten und gängigsten Büromaterialien wie Papier und Büroklammern, Computern und Lampen entledigt, und diese dann so auf dem Boden trapiert, gespiegelt. Auch wenn diese Spiegelbilder lediglich auf dem Boden liegen und das echte Mobiliar somit befreit dasteht und der Nutzung harrt, kommt niemand mehr in die Räume, ohne dass die Werkzeuge zum Verrichten der dort vorgesehenen Arbeit dabei beschädigt oder gar zerstört werden. Auf den Fluren hat sie, aus Abfall der Eliassonschen Produktion, ein paar ihrer Flag-Arbeiten installiert, eine Mischung aus Edelmüll und Ready-Made 3.0.
Die Initiatoren machen beide natürlich auch mit, dieses Mal mit einer Gemeinschaftsarbeit. Sie haben die Waschräume, also die mit den Waschbecken, aus dem Soziorestaurant Grill Royal nachgebaut. Die schwarzen Fließen sind aus Vinyl gegossen, eher matt, stumpf und nicht besonders freundlich. Nein, eher martialisch. Die Wasserhähne sind nach oben und in den Raum gebogen, als wollten sie gleich nach Händen, Mündern und ganzen Gesichtern schnappen. Dreht man das Wasser auf, sprühts einen auch so richtig an; und im ganz leicht welligen Spiegel sieht man einfach total bescheuert aus. Installiert ist dieses Gesellschaftskorrektiv in einem Lagerräumchen, in dem sich, laut Studio O.E. sonst Farbdruckervorräte und solche Sachen stapeln.
Auch geredet wird, auf einem Symposium. Da mit dabei sind Maik Schierloh, eigentlich Maler, auch Gastronom und in echt Mitinitiator der, wenn man so will, aktuellen Berliner Kunsthalle. Er tut bescheiden, ist in der Tat bodenständig und einer der letzten echten Arbeiter für die Sache, die Kunst, und nicht nur die Sachen, die Werke. Mit ihm diskutieren oder unterhalten sich Jörn Morisse und Rasmus Engler, die vor mittlerweile sieben Jahren ein Buch über das (wirtschaftliche) Überleben in prekären Zeiten schrieben und entsprechende Gespräche mit KünstlerInnen und mit Leuten vergleichbarer Berufe führten.
Als kleine Eventualgemeinheit haben sich Hildebrandt/Kwade ausgeheckt, dass die Teilnehmer dieser Runde zu jedem Beitrag ein Gläschen leeren müssen, mit Alkohol drin. Den Beiträgen ist das eine erstaunlich lange Zeit zunächst recht und alsbald sehr zuträglich. Nach einer guten Stunde verliert es sich nach und nach in auf höherem Niveau einsortierbare Gemeinplätze, was jedoch gar nicht schlimm ist. Höchstens wird vielleicht ein mittlerer Shitstorm (#schnaposium) ausgelöst.
Offen auf den inhaltlichen Hintergrund ihrer Idee angesprochen, kontern Hildebrandt und Kwade äußerst souverän, nämlich mit Bildung, heißt Symposium doch in der allerersten Übersetzung: gemeinsames, geselliges Trinken.
Ist das nicht toll?