Es scheint nunmehr nur die lange Weile zu sein, die durch die Pforte tritt: In János Sugárs Ausstellung „Kairos vs Expeditus“ bei Lada project (der ersten Ausstellung der deutschungarischen Galerie in den neuen Räumen in der Gormannstraße) werden Pforte, Moment und Logik zu einem stoischen Bild vereint, in dem Zeit sich lediglich in Momente zwischen Ankommen und Abfliegen aufteilt. Aufgenommen während der Vorbereitung auf eine (u.a. im Kunstverein Wolfsburg gezeigte) Gruppenausstellung zum Thema „Faulheit“, zeigt die linke Seite einer zweiteiligen Videoprojektion den Blick auf einen Flughafengang, an dessen Seite eine von hinten hell erleuchtete Glastür zu sehen ist, durch die jederzeit jemand ankommen könnte. Dass Kairos – jüngster Sohn des Zeus – und mit ihm der geeignete Augenblick jedoch nicht eintritt, könnte damit zu begründen sein, dass auf der benachbarten Projektion sein Widersacher in Aktion und somit Konkurrenz tritt: Expedit, der Heilige der schnellen Lösungen, der die Zukunft zur Gegenwart macht, für den das Warten auf das Jetzt bloße Prokrastination, satanisches Aufschiebeverhalten ist. Sugár spielt auf dieser rechten Hälfte des Videodiptychons den Heiligen selbst: Zu sehen ist eine ältere Performance, bei der der Budapester Künstler eine endlos scheinende Drahtrolle in einem Hotelzimmer entfaltet, bis jenes für zukünftige Gäste nicht mehr begehbar wird. Diese verschiedenen Arten der einerseits trefflichen, erwartenden und andererseits vorauseilenden, ergreifenden Nutzung von Zeit geben als gelooptes Zweikanal-Video (2006) Sugárs Ausstellung den Titel und bilden, obwohl am unteren Ende des zweistöckigen Galerie platziert, auch ihren thematischen Mittelpunkt. Tickerhafte Laufbänder auf den Motiven, die von den Mythologien zu Kairos und Expedit erzählen, liefern den textlichen Hintergrund zu der Ausstellung eines Künstlers, dessen Arbeiten sich immer wieder so explizit wie – im Sinn projizierter Ereignisse – experimentell mit Zeitkonzepten und dem Wert künstlerischer Produktion zwischen heutiger Zukunft und morgiger Vergangenheit befassen.
In diesem Sinn sprechen auch die sich im oberen Galerieteil befindenden Objekte „St. Expeditus“ (2002) und „Kairos in disguise“ (2004) möglicherweise eine Material- und Formsprache, deren Uneindeutigkeit sich erst die Zukunft entledigen könnte: Ist es im Fall des Expedit eine flach stehende Figur aus dem goldfarbenen Plastik von Pralinenschachteln, die, präsent im Raum, eine aufgestellte Rolle Luftpolsterfolie abzulesen scheint wie ein Tonarm eine Schallplatte, tritt der getarnte Kairos als samtbezogene, liegende Sexpuppe auf, über deren Hände mit Lebenslinien versehene Arbeitshandschuhe gestülpt sind. „Arbeite gratis oder verrichte eine Arbeit, die du auch gratis machen würdest“, lautet der Text einer Graffitischablone (2006), die Sugár in eine Raumnische zwischen den beiden Objekten platziert hat. Spätestens diese Anweisung macht deutlich, dass das von Sugár hier angesprochene Konzept künstlerischer Produktion unverschleiert zwischen den beiden genannten Zeitkonzepten aufgerieben ist: Sie ist das „vs“ auf das es ankommt, und dies auf sehr spezielle Weise. Martin Conrads
János Sugár, „Kairos vs Expeditus“
Lada project, Gormannstraße 15, 8.9. – 3.10.2007