Tomas Schmit, Andy Warhol

Zwei Bücher

2008:Jul // Raimar Stange

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07-2008
















Manchmal hat auch ein „Galerien-Wochenende“ etwas Gutes, denn diesmal bekam ich gleich zwei Publikationen binnen zwei Stunden geschenkt: Olafur Eliassons enzyklopädischen Mega-Wälzer „Studio“ und von Tomas Schmit/Wilma Lukatsch die „Dreizehn Montagsgespräche“, beide jüngst erschienen. Wie der Zufall, den es ja laut Kurt Schwitters „nicht gibt“, so will, las ich gerade Andy Warhols „POPism“ von 1980, endlich einmal komplett. Und da machte es klick: Tomas Schmits Beschreibungen seiner 1960er (Fluxus)Jahre und „The Warhol Sixties“, so der Untertitel von „POPism“, miteinander vergleichend zu lesen – das versprach spannend zu werden. Schon formal tun sich da Parallelen auf, schrieben doch beide gemeinsam mit einer Frau (Warhol mit Pat Hackett) und Schmit zudem als Interview, also in der Form, der Warhol eine ganze Zeitschrift gewidmet hatte, die bekanntlich bis heute existiert.

Da machten also der Pro-forma-Student und „Autodidakt“ Tomas Schmit und der Werbegraphiker Andy Warhol Anfang der 60er Jahre Kunst, der eine im noch ziemlich prüden Europa, vor allem in Deutschland, seit 1965 in Berlin. Der andere im vergleichsweise „liberalen“ US-Amerika, in New York City vor allem, in den wilden 60er Jahren, der Zeit von „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“. Beide haben ihren Vater „verloren“, der eine war hetero-, der andere homosexuell. Gemeinsam war Schmit und Warhol vor allem ein dezidierter und ausgeprägter Antiakademismus. Ein Antiakademismus allerdings, der unterschiedlich weit ging: praktizierten Schmit und seine Fluxus-Mitstreiter eine konsequente, extrem reduzierte „Anti-Kunst“, die jedwede (bürgerliche) Ästhetik zu verraten schien; so wendete sich Warhol und die Pop Art nur explizit gegen den damals bereits zum Akademismus gewordenen Abstrakten Expressionismus der Marke Jackson Pollock und Co., die Kunst selber aber wurde von ihren meist glamourösen Artefakten nicht wirklich in Frage gestellt. Das wiederum hatte Konsequenzen, die gerade heute wieder spannende Fragen auf den Plan rufen: Während Schmit und seinesgleichen damals vorwiegend in „Offspaces“, No-Name-Galerien oder in hinters Licht geführte Institutionen arbeiteten – und eben nicht bloß „ausstellten“! –, präsentierte sich die Pop-Art von Anfang an in führenden Kunstvermarktungsorten, bei Leo Castelli und Konsorten, wir wissen es alle.   

Vielleicht ist es ja Polemik, aber dennoch sei die Behauptung versucht: Schnell wurde die Pop-Art zur Kalenderblattkunst, dient heute selbst der Kulisse für dsds-tv-Sendungen als hipper Blickfang, Fluxus dagegen ist jetzt präsent beinahe nur noch in den Köpfen intelligenter Künstler/Innen., bei denen aber mit Einfluss auf die Kunst bis heute. Es wäre wohl an der Zeit daraus zu lernen, endlich zu lernen, dass zu viel Kunstwollen – sei es auch noch sehr „Konzept“ – und zu schnelles Drängen in die Galerien zwar marktkonforme „Künstlerdarsteller“ (Schmit) produziert, kaum aber notwendige und beachtenswerte Kunst. Die „Künstlerdarsteller“ übrigens kritisieren sowohl Schmit wie Warhol, die beide gerade bei der Beurteilung von Kollegen in ihren Büchern kein Blatt vor den Mund nehmen. Ist für Tomas Schmit Wolf Vostell zum Beispiel ein typischer „Künstlerdarsteller“ gewesen, so waren es für Andy Warhol selbstverständlich die Vertreter des abstrakten Expressionismus mit ihrem Macho-Gehabe. Letztere haben gerade heute wieder Konjunktur …

Tomas Schmit / Wilma Lukatsch „Dreizehn Montagsgespräche“, Wiens Verlag, 408 Seiten

Andy Warhol, Pat Hackett „POPism: The Warhol Sixties“ Libri, 392 Seiten 
Tomas Schmit, eine von  Zeichnungen aus der Edition „Utopia“, 1975 (© Courtesy Galerie Barbara Wien)
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