Das Programm „Forum expanded“, kuratiert von Stefanie Schulte Strathaus und Anselm Franke, fand zum zweiten Mal im Rahmen der Berlinale statt und verweist unter anderem auf Gene Youngbloods Buch aus den Siebzigern: „Expanded Cinema“. Der Film im „Forum expanded“ wird erneut erweitert, diesmal nicht nur durch Videokunst, Experimental- und Undergroundfilme, sondern durch die „Gossip-Studio“-Cocktailbar vom Künstlerkollektiv Cheap im Atrium des Kinos Arsenal, sowie die Ausstellung „Interior Expansion“ im Büro Friedrich. Wo und wie soll man heutzutage Filme zeigen? Kinos, Filmfestivals und Kunsthallen gleichen sich in ihrer Ausstellungspraxis immer stärker an.
Aber bleiben wir bei der Erweiterung, die in der Videokunst keinen Sinn mehr macht: Video ist „erweitertes Kino“ per se. Am Anfang stand die Ablehnung der formalen und inhaltlichen Strukturen des Kinos. Nun geht die Erweiterung nach Innen. Die „Forum expanded“-Ausstellung „Interior Expansion“ besteht aus sieben Arbeiten, zwischen denen sich ein Dialog entwickelt, der verschiedene Ebenen vereint. Es ist wichtig festzustellen, dass die Ausstellung von den Kuratoren als Erweiterung der Ausstellung „Jenseits des Kinos“ im Hamburger Bahnhof beschrieben wird. Dabei gelingt ihr genau das, was der anderen misslingt. „Interior Expansion“ schafft eine Kohärenz, eine Einheit, eine Bedeutung: Die einzelne Kunstarbeiten werden zusammen zu einem neuen Werk.
An der Schnittstelle zwischen der technischen und der psychologischen Erweiterung steht „Telepathy Experiment I“ von Isabell Spengler, die anekdotisch an das Buch „Expanded Cinema“ anknüpft. Richard Buckminster Fuller schreibt hier in der Einleitung darüber, dass in der Zukunft die Telepathie als wissenschaftliches Phänomen akzeptiert sein wird. In der viergeteilten Splitscreen-Projektion von Isabell Spengler „übertragen“ sich zwei Freundinnen gegenseitig abwechselnd Gedanken; ein performatives Experiment. Im gleichen Raum laufen zwei weitere Videos: „Bouquet“ von Karo Goldt, eine digitale Reinterpretation eines Stilllebens, und „Nero“ von Christoph Girardet, eine Collage aus zwei Bildern mit weiblicher Stimme: „You’re afraid of the truth, aren’t you?“. Beide Arbeiten sind eher einer traditionellen zeitgenössischen Ästhetik verhaftet: bei Goldt ist es die digitale Abstraktion, bei Girardet ein kurzer Found-FootageLoop und die Stimme, die das Innenleben reflektiert. Als Beispiel für diese künstlerischen Positionen haben sie ihren Platz in der Ausstellung. Gleich danach ist man bei Andrea Cooper und ihrem Video „Strange Things“. Der Titel weist auf Robert W. Service hin, einem schottischen Dichter, der über kanadische Mythen geschrieben hat: Reisen in den Norden führt zur Isolation, Wahnsinn und letztlich zum Tod. Ein einfacher Papphintergrund gibt das Dekor für die Überlegungen und Ängste eines Mädchens, das von ihrem Freund verlassen wurde.
Im nächsten Raum wird die Erweiterung dann rein technisch und ortsspezifisch. Die Arbeit „Windowed Water“ von Michael Snow wurde von den zwei Kuratoren Schulte Strathaus und Franke veranlasst. Sie schickten dem Künstler Bilder von einem Fenster im Büro Friedrich, von dem man die Spree sieht, weil sie dabei an seinem Film „Wavelength“ denken mussten. Leider ist dieser Ansatz des Selbstzitats im Ergebnis ziemlich präsent und die Frage bleibt, ob dies allein genügt. Daneben befindet sich „Pin Whole Series Application 1: Bulb“ von Jorge Lorenzo, eine anachronistische Arbeit, ähnliche Arbeiten erwähnt auch Youngblood in den 70ern: Projektor ohne Objektiv, Löcher in den Bildern, die Lebensdauer der Projektionslampe.
Keren Cytters „The Mysterious Series“ ist der Höhepunkt der Ausstellung. Ein vielschichtiges Video, in welchem wir die bei Cooper verwendete Homevideo-Ästhetik wiederfinden, diesmal in einer weiter ausgearbeiteten Form. Cytter verflicht Realität und Fiktion: Die Künstlerin, ihre Künstleridentität und eine andere deutsche Künstlerin erscheinen wage angedeutet immer wieder in verschiedenen Situationen und Ländern, und mit unterschiedlichen Leuten, die irgendwann nicht mehr wissen, ob sie noch spielen oder nicht. Man bleibt verwirrt wie fasziniert zurück. Trotz fragwürdiger formaler Entscheidungen (wie zum Beispiel Filmeffekte in einer Videoarbeit) bleibt Cytters Videoinstallation ein herausragender Schlusspunkt der Ausstellung.
Berlinale – 37. Internationales Forum des Jungen Films
Forum expanded, Ausstellung „Interior Expansion“
Büro Friedrich, Holzmarktstraße 15–18
8.02.2007–18.02.2007