Spannender und wichtiger als das Konzept, das sich selbstverständlich und ganz ungezwungen verschiedener ästhetischer Strategien, wie etwa der von Roni Horn, Joseph Beuys oder von Hamish Fulton, bedient, ist die Haltung, die die Künstlerin hier so bestimmt wie bescheiden einnimmt. Helen Mirras „33 Berwanderwege“ begeben sich nämlich mit einem gleichsam poetischen Konzeptualismus auf die Suche nach einem „pan-psychism“ (Mirra), der den Steinen Bewusstsein, genauer: einen „stream of consciousness“ zuspricht und die Natur so als beseelten Partner akzeptiert.
Sicherlich ist es einfach, eine solche Beseelung von Umwelt kurzerhand als esoterisch zu verlachen. Dennoch: Spätestens mit der „theoretischen Biologie“ des legendären Naturwissenschaftler Jakob Johann von Uexküll aber lässt sich Helen Mirras „pan-psychism“ durchaus ernst nehmen. Von Uexküll nämlich entwickelte einen Begriff von Umwelt, der diese als Geflecht von Bedeutungen und Zeichen definiert. Diese Bedeutungen und Zeichen, so der Spätkantianer, werden generiert von Subjekten, von Subjekten wohlgemerkt, die sowohl menschlicher wie nicht menschlicher Natur sein können. (Interessant ist übrigens, dass sich auch der dänische Künstler Tue Greenfort in mehreren seiner Arbeiten auf Jakob Johann von Uexküll bezieht.)
Und auch in der „Actor Network Theory“ der Soziologin Julia Maintz z.B. wird das Verhältnis von Natur und Gesellschaft, von Mensch und Umwelt als eines der „mobilen (!) Elementkonstellationen“ gedacht, in der das Element Natur zum möglichst gleichberechtigten „Aktant“, also zum Mithandelnden wird.
Genau solchen Umwertungen unseres Verhältnisses zur Umwelt gelingt es Helen Mirra, in ihren „33 Bergwanderwegen’“ ein ästhetisches Narrativ zu geben. Dieses ist angesichts der bereits eingetretenen Klimakatastrophe überaus notwendig, ist doch unser egoistisches und rücksichtsloses Ausbeuten der vermeintlich seelenlosen Umwelt eine der wesentlichen Ursachen für die Klimakatastrophe. Wie gesagt: eine überragende Ausstellung!
Helen Mirra „33 Bergwanderwege“, Galerie Meyer Riegger, Friedrichstraße 235, 10969 Berlin, 29.04.–20.06. 2009