Wo ich war

2023:Februar // Esther Ernst

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02-2023

OTT DANIEL       12. JUNI 2022
Westhafen Berlin - Umschlagplatz Klang
Hafenbecken I und III, Silo

Hatte nicht so Lust dahin zu gehen und erlebte eine zweieinhalbstündige Wahrnehmungsexplosion.
Mit Leuchtwesten gekleidet streifen die Zuschauer durch den Hafen, während Musiker*innen aus 7 Ensembles in kleineren und größeren Formationen eine von Ott komponierte Klanglandschaft über das riesige Gelände entfalten.
Die Klänge mischen sich mit dem betriebsamen Hafen, rangierenden Güterzügen, kreischenden Möwen - ah neh, das ist eine Klarinette am gegenüberliegenden Hafenbecken - Tatütatas aus dem umliegenden Hauptverkehrsachsen, Prellbockgeräuschen, schleifenden Motoren usw.
Die Hafenerkundung ist imposant, bei Sonnenuntergang ein zusätzliches Lichtspektakel, zusammen mit der Höhrerfahrung überborden die Sinne. Toll!


12. BERLIN BIENNALE      23. Juli 2022
Still Present!
Akademie der Künste, Pariser Platz, Berlin

Du sagst, Du magst den Diskurs nicht, wenn er im Begleittext so viel behauptet und in der Kunst kaum erfahrbar ist. Wir sprechen über Uriel Orlow, der eine Xylothek in Westafrika(?) besuchte und auf einer Makro-Holzzellen-Tapete einzelne Fotos seiner Recherchereise installierte, während ein Mobile aus verschiedenen tropischen(?) Hölzern von der Decke schwebt, und damit behauptet, dass der koloniale Holzmarkt noch heute besteht.
Anders erging es uns im expressiven Raum mit den Malereien von Schmidt-Rottluf und Emil Nolde, auf denen afrikanische Holzfiguren dominieren und der Gegenüberstellung einer Ansammlung von afrikanischer Kruzifixen unbekannter Künstler:innen.
Später fragte ich mich noch, wie die toll verzierten Totenschädel nach dem Erdbeben auf Haiti vom Friedhof ins Atelier von Debréus Lhérisson „wanderten“? So der Ausstellungstext…


12. BERLIN BIENNALE      24. Juli 2022
Still Present!
Akademie der Künste, Hanseatenweg, Berlin

Hier gelingt es Kader Attia fantastisch, eine Ausstellung zu kuratieren, die aufzeigt, wie übergriffig, gierig, verantwortungs- und rücksichtslos, ekelhaft, abartig und gewalttätig Menschen mit Menschen, Tieren und Umwelt umgehen. Noch nie hab ich mir so viele Videos gebannt bis zum Ende angeschaut und war berührt wie beeindruckt von der Kunst.
Tuán Andrews Nguyên’s Doppelvideoprojektion zum Beispiel, wo er aus der Perspektive des letzten, ausgestorbenen Nashorns in Vietnam über das verstörende Verhältnis von Menschen zu Tieren spricht und ihnen androht, als gefährliches Virus wieder zur Welt kommen. Verstörend (und beglückend, dass die Kunst Möglichkeiten hat, all dies aufzuzeigen) auch das Video der Forensic Architecture, eine Recherchegruppe der Goldsmith Uni, die u.a. den Einsatz von Tränengas bei Protesten mittels künstlich intelligentem Architektur-Bild-Verfahren untersucht. Alles sehr abgefahren.


12. BERLIN BIENNALE      31. Juli 2022
Still Present!
Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart, Berlin

Das beeindruckende an der Dokumentation über Amal Kenawys Performance in Kairo ist, dass die kaironische Mentalität sofort spürbar ist, wenn sie von Männern auf der Straße angefeindet wird, was das denn soll und dass sie Schande über den ägyptischen Stolz bringt.
In Kenawys Performance Silence of Sheep kriechen mehrere Menschen hintereinander über die Straße. Ein Bild für die politische Demütigung, die das ägyptische Volk erduldet. Zwei Jahre später findet auf denselben Straßen der arabische Frühling statt.
Erschüttert war ich über Basel Abbas und Ruanne Abou-Rahmes Videoinstallation mit Aufnahmen der israelischen Geheimpolizei(?), die einen Palästinenser erschießt, weil er auf israelischem Boden eine geschützte Pflanze sammelt, die die Palästinenser*innen gerne in ihrer Küche verwenden?!
Auch die Rieckhallen voller Grausamkeiten.


PULVER RETO      27. Juli 2022
Blitzzustand
Kunstverein KunstHaus Potsdam

Ich hab mehrmals seine Maps gegoogelt, insbesondere die Zeichnung von Cairo, aber auch die von Island und Hong Kong und Bärn sind toll. Irgendetwas hab ich mit seiner Arbeit am Laufen, mit seinen textilen Hütten, deren Installation selbst wieder wie feine Zeichnungen im Raum schweben, irgendwas mit der Weise, wie er Welt begreift, beschreibt und ausstellt. Und auf welche Weise er leichtfüßig verschiedene Materialien verwendet und einbettet. Vielleicht das Lustvolle, Großzügige, aber dennoch Leichte / Temporäre?
Ich weiß es noch nicht.
Habe seinen monografischen Zustandskatalog gekauft, der sehr schön ist, aber stinkt.
Mein Papa hat per Zufall mal eine Performance mit ihm erlebt und erzählte mir später, der sei wie ein Irrer im Raum rum gesprungen.


WIELAND GERNOT      7. Nov. 2022
Turtleneck Phantasies
KINDL Berlin

Uhi, toll wie er erzählt! Ich bin hin und weg von der Form, angezogen von seiner Art, wie er verschiedene Materialen einander gegenüber stellt, wie einladend er arbeitet, wie persönlich er seine Welt entfaltet. Und doch hab ich inhaltlich nicht alles gerafft und das Video dummerweise nicht zweimal geschaut (immer denk ich, ich schau’s mir dann im Netz nochmal an, weil’s in den Videokabinen so voll und stickig ist …)
Da sind Kinderzeichnungen, Erinnerungen, blaue Himmel durch Scheiben und solche auf Super-8-Filmen vom Vater. Wer ist der Mann mit den Turtleneck Phantasies? Sein Großvater, Niemand, eine Figur? Tätowierungen, Erinnerungen, Traumata, Psychiatrische Kliniken, Familiendiagramme, Mindmaps, Fotos, Kinderzeichnungen, Skizzen, alles fantastisch ineinander fließend.

alle Bilder: Esther Ernst