Vanity Fairytales

Exklusive Inklusion inklusive Exklusion

2017:September // Elke Bohn

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09-2017


Exklusive Inklusion inklusive Exklusion

Inklusion, das ist etwas Wichtiges, ein Begriff aus der Soziologie, beschreibt etwas aus der Lebenswirklichkeit vieler. Also hat er zunächst nicht viel mit der Kunst und deren Welt zu tun.
Doch zeigt es eine Ausstellung unter diesem irrsinnig anmutenden Titel „Exklusive Inklusion inklusive Exklusion“ in Berlin, fast in Berlin, wieder einmal allen, jedoch nicht jedem.
Initiiert hat sie der gar findige Tim Renner, als Startschuss seines Rennens um einen der lukrativen Plätze im Bundestag. Zwar ist der nicht mehr der Mensch für Kultur in dieser Stadt, doch eben findig und voll vernetzt, wie alle sagen – manche ohne sich der aktuell-technisierten Deutbarkeit dieses kurzen Satzes bewusst zu sein.
Und, man muss es schlicht und ergreifend zugeben, das hier ist ein Coup, den er lediglich durch seine Wahl zum Kanzler ohne vorherige Kandidatur hätte toppen können.
Im Gebäude des möglicherweise einmal zukünftigen Flug­hafens BER in bei Berlin, da inszenierte er eine Ausstellung, gemeinsam mit seinem Nun-Kumpel Chris Dercon. Und weil in Berlin ja viel mit dem Netzwerk funktioniert, da wurden Künstler von Esther Schipper geladen. Äußerst kritisch sei das jedoch, denn Thomas Demand, wann hat der denn zuletzt in Berlin und bei Schipper gezeigt? Etliche können sich da gar nicht mehr entsinnen.
Demand hat die Bilder, die sich exemplarisch für das Versagen deutscher Bürokratie, Selbstüberschätzung, Verant­wortungslosigkeit und Misswirtschaft verbreitet und fest­gesetzt haben, nochmals erschaffen und nun ist die eventuell baldige Haupthalle des BER mit der visuellen ­Manifestation des aktuell möglicherweise gesetzten Scheiterns bespielt. Es sind Bilder, so spielerisch in ihrer Anmutung, doch auf bestechend horrende Weise schroff und unglaublich aktuell.
Beinahe neu ist für Demand, dass er in einer Schau ausschließlich und exklusiv mit Projektionen arbeitet, und auch lediglich statische Bilder projeziert. Er generiert Bildwelten am Computer mit einer derart seidigen Oberfläche, dass jeder Farbdesigner bei Farrow & Ball neidisch würde. Diese Projektionen sind Hybride aus Wirklichkeit und Traumwelt; einer Traumwelt, in der nicht nur der Flughafen fertig ist, sondern in welcher das keine Rolle zu spielen scheint. Wo Menschen vielleicht gar nicht mehr fliegen.
Demand zeigt Menschen, ein Novum für ihn, umgeben von einer dinglichen Welt, die ungegenständlicher nicht sein könnte; eine menschengeschaffene, die dem Menschen Bühne ist. Alles neutral, alles zurückhaltend und angenehm temperiert.
Während der Ausstellung wandelt Ayumi Paul durch das Gebäude, verfolgt von Drohnen und Kameraleuten, die sie aus allen nur erdenklichen Perspektiven videografieren. Sie spielt im Wechsel Ari Benjamin Meyers, wie auch schon in der Galerie von der Esther, und hier dazu noch Sonaten von Robert Schumann. Beides klingt wie gesalbt und sehr sanglich. Renner produziert jedoch kein Album mit ihr, das macht sie ja eh schon mit anderen.
Das, und das ist einfach so, Interessanteste an der Sache ist jedoch, dass es vor Ort niemand sehen kann. Nur die Aufbauleute, die Video- und Fotografen und ein paar weitere Handlanger. Der Laden ist ja eine lebensgefährlich unfertige Riesenbaustelle, was da passieren kann …
Deren Ergebnisse, also der Ausstellung – nicht jedoch der Baustelle – werden für die Außenwelt gestreamt und für die altmodischere Generation zum Glück auch als Katalog publiziert. Den mach der Boros und der lud zur Präsentation zweimal ein. Einmal alle in das Gebäude an der lauten Straße, das mit den Büros. Und einmal, eben hier nicht jeden, in das Dach des anderen Gebäudes, in der Nähe noch einer lauten Straße.
Hier wie dort gab es Drinks und auch Frau Paul. Gespielt hat sie nichts mehr, natürlich. Mit ihrer Anmut war sie ruhender Pol und gefragteste Gesprächspartnerin zugleich.
Renner war in seinem Element und ist im Rennen, wie es hieß.
Auch Dercon genoss sichtlich einen Abend in angestammtem Revier und ohne ihn umwabernde Tiraden.
Lange wurde nach Demand gesucht, doch der war wohl schon wieder daheim, am anderen Ende der Welt und wollte einfach seine Ruhe, weshalb er nicht lang fackelte. Für die Signierstunde unter den Geladenen schickte er die seine Signatur als Aufkleber, den es gegen Nennung eines speziellen Passwortes an der Bar abzuholen galt.
In einer Ecke, leicht und doch bewusst abseits, wurden Klaus Wowereit und Matthias Horx im angeregten Gespräch beobachtet. Um wessen Zukunft es dabei wohl ging?
Boros, als er, leicht ermattet sich an der hauseigenen Espressomaschine zu schaffen machte, hatte den Salat. Plötzlich war er der Star, und nicht mehr die Kunst, denn alle wollten nämlich auch einen. Auch der Dercon.
Nach der Party war der Katalog vergriffen und alles Analoge dieser Ausstellung verschwindet in Regalen und Bibliotheken.
Was bleibt, das ist der Stream – für alle, nicht jeden.






Christian Boros (Foto: Michael KR)
Tim Renner (Kandidatenfoto SPD)