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Emailaustausch
Berlin Biennale 9
2016:September //
Samir Bani, Barbara Buchmaier, Marlene Zoe Burz, Soline Krug, Sebastian Pöge, Martin Remus und Björn Streeck
Emailaustausch / 2016:September
„Ich halte diese Biennale für historisch bedeutsam. Zumindest jetzt …“
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Gesendet: 28. Juni 2016 um 08:57 Uhr
Von: Barbara Buchmaier
An: Sebastian Pöge
Hallo Sebastian,
Wie hat es sich angefühlt, in der Akademie der Künste auf der Außenterrasse auf den bunten Fitness-Gerüsten von Nik Kosmas zu klettern, während wir unten mit Marco Roso und Christopher Kulendran Thomas diskutiert haben? An was hast du dabei gedacht?
Viele Grüße,
Barbara
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Gesendet: 1. Juli 2016 um 00:03 Uhr
Von: Sebastian Pöge
An: Soline Krug
Hallo Barbara,
das Klettergerüst ist schon etwas, das mich anspricht. Einer der neuen Trends, die ich mittrage. Mehr Bewegung im Alltag, im Gegensatz zu den Lümmelecken, die die Biennale für mich prägten. Überall Sofas, Liegen, Betten, Kissen, die ich selten benutzt habe und dadurch verpasste ich auch ein paar Videos. Wir machen für mich bereits zu viel im Sitzen oder Liegen. Bei dem Klettergerüst waren die Sprossen jedoch sehr breit und glatt, schwer zu greifen ohne abzurutschen. Es reicht wohl der Look, der Anschein, dass man sich bewegen könnte.
Sebastian
NÄCHSTE FRAGE
Hey Soline,
hast du es dir in den Betten, Sofas der Biennale gemütlich gemacht? Verweiltest du dadurch länger dort? Ich wurde teilweise in der Ausstellung träge, nun frage ich mich, wegen der Kunst, den vielen Videos oder dieser lauschigen Atmosphäre?
Sebastian
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Gesendet: 3. Juli 2016 um 20:58 Uhr
Von: Soline Krug
An: Martin Remus
Cher Sebastian,
es wundert mich fast, dass du so darauf reagiert hast. Die Biennale hat bei mir eher das Gegenteil erzeugt. Ich habe mich oft gefragt, ob dieses oder jenes Teil der Ausstellung war, vor allem in der ESMT, wo die gegebene Architektur und die Funktion des Gebäudes sich total mit den Werken vermischt hat: Gehört der Teppich dazu, was macht dieses Catering genau hier (siehe Foto). Das war vielleicht zufällig entstanden und so gelassen. Wurde ich gerade verarscht oder meint er das ernst etc.?
Die lauschige Atmosphäre (ich weiß gar nicht, ob ich es so empfunden habe), auf jeden Fall diese Atmosphäre hat mir gut getan, ich habe auf einen anderen Modus umgeschaltet und war deswegen wacher für das, was vor mir stand.
Ich fand die Idee des übertrieben unverhältnismäßig großen Bettes richtig gut, um sich ein Video anzuschauen. Genau so muss es sein, dachte ich mir, auf alle Bedürfnisse des Kunden eingehen, alles tun, um die Kunst leichter verdaubar zu machen, wir stehen alle auf Komfort. Das macht mich nicht müde Sebastian, sondern es bringt mich zu einer anderen Art der Konzentration. Ein Schwebezustand, mehr Geduld, ich lasse es mehr auf mich zukommen.
Es hat halt nicht immer geklappt. Christopher Kulendran Thomas zum Beispiel, mit seiner Lounge-Installation war mir zu … unspannend? Soviel Politik muss echt nicht sein in der Kunst. Aber gut, die Abneigung kam eher aus dem Inhalt. Das hat mich echt aufgeregt eigentlich. Aber das war gut, dass wir mit dem Künstler reden konnten, und aus diesem Unverständnis passiert auch was, manchmal auch mehr, als wenn man eine Ausstellung nur „geil“ findet.
Cheers, Soline
NÄCHSTE FRAGE
Und bei dir Martin,
welche Werke haben dich richtig aufgeregt? Was fandest du unverschämt langweilig?
Liebe Grüße, Soline
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Gesendet: 14. Juli 2016 um 09:45 Uhr
Von: Martin Remus
An: Soline Krug
Hallo Soline,
ich habe gerade keine Zeit die Frage zu beantworten.
Ich schicke dir die Frage zurück.
Martin
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Gesendet: 14. Juli 2016 um 10:12 Uhr
Von: Soline Krug
An: Barbara Buchmaier
Hi Barbara,
Martin kann gerade nicht, machst du weiter?
Welche Werke haben dich richtig aufgeregt? Was fandest du unverschämt langweilig?
Lg, Soline
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Gesendet: 15. Juli 2016 um 10:12 Uhr
Von: Barbara Buchmaier
An: Samir Bani
Hallo Soline,
so richtig aufgeregt hat mich eigentlich nichts, viel eher war ich von ein paar Sachen enttäuscht: den Beitrag „Privilege“ von Amalia Ulman in den Kunst-Werken fand ich schwach: bei der Eröffnung dachte ich, das könnte mich interessieren, beim späteren Besuch stellte ich fest, dass die Filme doch sehr kurz sind. Da es online aus der Reihe ja viel mehr Filme gibt, frage ich mich, warum das in der Ausstellung so reduziert gehalten wird. Und die Installation dazu, naja … Schon sehr harmlos.
Ein anderer Fall sind die Biennale-T-Shirts und -Taschen von Telfar, mit der Aufschrift „Personal“ und „Publikum“. Ich verstehe schon das Sprachspiel, finde es aber spätestens auf den 2. Blick etwas schwach, auch das Design. Da finde ich das DHL- oder das Polizei-T-Shirt von Vêtements schon besser. Von Telfar hatte ich da irgendwie mehr erwartet. Und, um deine Frage(n) noch voll zu beantworten: Richtig langweilig fand ich bisher nichts an der Biennale.
Machs gut, Barbara
NÄCHSTE FRAGE
Hi Samir,
wie ist es dir ergangen, hat dich etwas so richtig aufgeregt an der Biennale – sei es am Konzept oder an der Ausstellung selbst? Oder warst du eher positiv überrascht?
Beste Grüße, Barbara
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Gesendet: 18. Juli 2016 um 08:48 Uhr
Von: Samir Bani
An: Barbara Buchmaier
Hallo Barbara,
es hat mich nichts besonders aufgeregt oder umgerissen an der Biennale selbst oder deren Konzept. Lediglich von einem erfrischenden Erlebnis in der Akademie der Künste kann ich dir berichten.
Positiv überrascht war ich über die Installation von Jon Rafman auf der Terrasse, im Besonderen von der Arbeit „View of Pariser Platz“. Es war eine Schlange vor der Arbeit und ich hatte genug Zeit, viele vor mir Wartende beobachten zu können.
Dabei fand ich so spannend, wie sich bei mir nach jedem Besucher, der die Brille aufhatte, mehr und mehr die Frage stellte, was diese Personen wohl gesehen und gehört haben mussten, dass sie so unterschiedlich reagierten. Eine junge Dame schwenkte nur zwei drei Mal den Kopf und eine andere bewegte sich kreuz und quer hin zum Geländer der Terrasse. Besonders lustig war es, von Besuchern angestarrt zu werden, wenn sie die Brille aufhatten. Dies löste bei mir ein leichtes Kribbeln aus – schaut der mich gerade an?!
Leider hatte ich schon vorher eine Oculus-Rift aufgehabt und das Video hat mich leider nicht ganz so mitgerissen, wie wohl den Mann, der nach mir ganz starr und nur leicht mit den Fingern zuckend sich nicht vom Fleck bewegte und danach leicht kopfschüttelnd die Brille seiner Frau gab, die ihn die ganze Zeit über mit ihrem iPhone abfilmte.
Habe ich als Besucher zu wenig Verständnis dafür, die Probleme zeitgenössischer Kunst aus ihrem historischen Kontext zu sehen? Bietet DIS hier Lösungsansätze, die ich nicht sehe oder verstehen kann? Für mich verweilt dieser Besuch der Biennale erstmal an einem Punkt, ein weiteres Arrangement verköstigt zu haben.
GEGENFRAGE
Hallo Barbara,
eine Gegenfrage: ein Wort: „Hybrid“. Gab dir DIS etwas an die Hand? Kulminierte dieses in der Berlin Biennale?
Gruß, Samir
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Gesendet: 20. Juli 2016 um 10:53 Uhr
Von: Barbara Buchmaier
An: Soline Krug
Hallo Samir,
deine Frage verstehe ich leider nicht so richtig, aber ich versuche trotzdem, kurz was dazu zu schreiben:
„Hybrid“ bedeutet ja: Mischung oder Gebilde aus zwei oder mehreren Komponenten. Der Begriff ist keinesfalls neu und wird gerne immer wieder dann herangezogen, wenn es darum geht etwas zu beschreiben, das man (bzw. die Allgemeinheit) bisher noch nicht selbstverständlich als Einheit verstanden hat. Was sind die Komponenten bei der Biennale, bzw. welche Komponenten kommen da zusammen? Hier sind es vielleicht Felder wie Mode, Marketing (auch über soziale Medien, Städtetourismus etc.), Start-up-Kultur und eben „Kunst“, die – wie wir ja eigentlich eh schon alle wissen – längst immer mehr ineinanderlaufen. Aber die Biennale macht es jetzt eben konsequent für ALLE deutlich und das finde ich gut.
Ich habe ja selbst mit Christine Woditschka schon seit ein paar Jahren dazu Texte verfasst …, von daher hat mich das nicht überrascht … Gerade bin ich/sind wir dabei zu überlegen, wie, in welcher Form, in welchem sprachlichen Stil man an dieser Entwicklung „weiterschreiben“ kann …
Wie wird sich das aktuelle Hybrid weiterentwickeln, welche hybriden Formen gibt es, daran anteilzunehmen, es weiterzuformulieren? Da kann man schon neugierig sein.
Lg, Barbara
NÄCHSTE FRAGE
Liebe Soline,
Gratulation nochmals zu deiner aktuellen Abschlussarbeit an der KHB inkl. einem „Durchschnittsbild“ und einer Lecture-Performance zum Thema „Durchschnitt“.
Mich würde interessieren, ob du die Biennale in irgendeiner Weise „durchschnittlich“ fandest, oder im Gegenteil, was du daran eben nicht als durchschnittlich empfunden hast. Fällt dir dazu was ein?
Beste Grüße, Barbara
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Gesendet: 25. Juli 2016 um 08:20 Uhr
Von: Soline Krug
An: Björn Streeck
Danke Barbara,
ich muss zugeben, dass ich mir die Frage währenddessen nicht richtig gestellt habe. Heißt das also, dass die Antwort NEIN lautet? Klar, sie haben versucht, mit Strategien unseres Alltags Ideen rüberzubringen und dadurch befand ich mich außerhalb einer bekannten Kunstausstellung.
Wir sind aber einverstanden, ich nehme jetzt deinen Begriff „durchschnittlich“ im Sinne von herkömmlich. Es ist mir fast peinlich, die Frage zu beantworten, weil – was soll ich dazu sagen –, was man gerade in Berlin sieht, oder sehen sollte, was gibt es schon zu lange etc. Ich schaue mir so unregelmäßig Kunstausstellungen an … aber nein, für mich war es alles relativ neu, erstaunlich oder manchmal schockierend.
Außer vielleicht bei der Feuerle-Collection, wo alles harmonisch, liebevoll und geschmackvoll arrangiert war, fast wie in einem Katalog, in der Kunstrubrik des Dekorations-Magazins Elle. Aber das war auch, auf seine Art, schockierend. Nach dem, was man sonst gesehen hatte, nochmal in diesem Modus wieder einzusteigen. Die Biennale war für mich eine Überraschung. Die werde ich nicht vergessen. Aber keine Angst, sie wird auch normal/durchschnittlich werden mit der Zeit.
Lg, Soline
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Björn,
was schätzt du, was diese Biennale in der Kunstszene in Berlin oder überhaupt ändern wird? Hat sie bei dir irgendetwas verändert? Bewegt? Oder nimmst du sie einfach in deine Akten? Und Berlin auch?Liebe Grüße, Soline
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Gesendet: 26 Juli 2016 um 12:09 Uhr
Von: Björn Streeck
An: Martin Remus
Hi Soline,
ich kann doch unmöglich wissen, was historisch bedeutsam sein wird. Meistens erzeugt doch die schiere Masse an Ereignissen, dass das Einzelne sich nicht nachhaltig entwickeln kann. Nachdem die Biennale weitgehend aus den Feuilletons raus ist, habe ich auch damit abgeschlossen. So geht das. Eine Meinung haben geht dann aber doch meistens ganz gut.
Ich hatte mir als ersten Ausstellungsort die Kunst-Werke angeguckt, bin durch die Videoräume durchgerauscht und stand dann vor der Hocktoilette [Shawn Maximo]. Neben der Toilette saßen Leute auf Sitzsäcken. Irgendjemand hatte mir gesagt, dass der Raum furchtbar aufwendig zu produzieren gewesen wäre. Für mich sah dieser Raum und auch der Raum mit dem „großen Regal“ [åyr] aus, als wären sie virtuell geplant, um dann wie auch immer in die materielle Welt importiert zu werden. Alles, was die Werbetechnik so bereitstellt, wird verbaut. Ob das dann in der Realität so funktioniert und wie hässlich das dann im Detail ist, bleibt wohl unberücksichtigt. Oder ist das des Pudels Kern?
Ich möchte jetzt ganz dringend ein Mandala ausmalen.
Björn
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Hi Martin,
ich glaube, dass eine Frage zur Biennale eh nur ein Vorwand ist, um in der Antwort eine damit unzusammenhängende Meinung zu äußern. Daher überlasse ich dir hiermit das Wort.
Viele Grüße, Björn
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Gesendet: 09. August 2016 um 17:11 Uhr
Von: Martin Remus
An: Marlene Zoe Burz
Hi Björn,
wenn es keine Frage an mich gibt, werde ich einfach kurz schildern, was ich über die 9. Berlin Biennale denke.
Für mich ist die Berlin Biennale eine Punktsetzung, ein Ergebnis, ein Zwischenstand, sie hat mir bewiesen, dass in den letzten Jahren etwas passiert ist. Ich meine damit, dass sich die Strategien der Kunstproduktion verändert haben, es ist ein neuer Umgang mit den Mitteln, mit Informationen, mit Ressourcen, alles kann benutzt werden, ich denke, dass wir uns in einer Zeit nach einer Ohnmacht befinden. Diesen Umstand finde ich sehr erfrischend! Außerdem ist mir aufgefallen ist, dass sich viele Künstler und Kunstkritiker an dieser neuen Form stören, sich sogar davon provoziert fühlen. Und auch ich fühlte mich provoziert und in Frage gestellt, aber das hat eher mein Interesse geweckt. Obwohl mir nicht alle Orte der Berlin Biennale gleich gut gefallen haben, finde ich das Grundkonzept und den kuratorischen Umgang durchaus anregend.
Und ja, ich halte diese Biennale für historisch bedeutsam.
Zumindest jetzt.
Liebe Grüße, Martin
NÄCHSTE FRAGE
Hallo Marlene,
was denkst du über die Biennale, ist sie für dich eine Highendglossytrend-Veranstaltung ohne Inhalt oder mit Inhalt oder geht’s da überhaupt um Inhalt?
Und was wird deiner Meinung nach davon übrig bleiben?
Liebe Grüße, Martin
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Gesendet: 15. August 2016 um 18:38 Uhr
Von: Marlene Zoe Burz
An: Barbara Buchmaier
Danke Martin für deine Frage.
Zuerst möchte ich betonen, dass ich auch eine Highendglossy-Veranstaltung im Kunstkontext gesehen und vor allem in dem Ausmaß einer Biennale für ein Ereignis mit Berechtigung und Inhalt halte. Wobei die Frage des Inhaltes eine ganz eigene Betrachtung verlangt: der von den Ausstellungsmacher/innen erwünschte oder gedachte Inhalt, der von den Künstler/innen bearbeitete und dadurch erzeugte, und der Inhalt, welchen wir als Interessenten oder auch ganz kunstfremde Betrachter glauben zu erkennen, mit positiver Bewunderung auferlegen oder durch Desinteresse oder Skepsis bewerten. Natürlich nicht zu vergessen … dann gibt es noch die Inhaltsbildung, welche durch die Presse und die Medien erzeugt und vermittelt wird. Es mag sein, dass diese verschiedenen Inhaltsstränge bei der diesjährigen Biennale keine klare Übereinstimmung finden und deshalb der Gesamtgeschmack etwas diffus wirkt. Und genau diese Verwehungen halte ich für etwas sehr Interessantes und einen der zeitgenössisch relevanten Punkte.
Die etwas verwirrende Ungenauigkeit kommt jedoch in diesem glossy Look daher. Sie ist schneidend scharf und ultra glatt und lecker und die Farben sind so sauber und rein, als wären sie neu geboren. Ich fühle mich ganz im Heute, im Hier und Jetzt.
Denn: Ich glaube der Werbung und weiß über unseren ständigen Waschzwang bescheid, der uns dazu verleitet, dass wir bald in totaler Sterilität leben. Es gibt auch keine alte Ordnung mehr und wir können gemeinsam mit der Technik die Welt neu entdecken und neu gestalten.
Stimmt … Ich spüre das auch oft.
Und ich denke dann doch daran, dass es noch nicht so weit ist. Eigentlich finde ich die Biennale total zukunftsweisend und auf jeden Fall ein ziemlich clever gelöstes Phänomen unserer Zeit und unserer Kunst. Es war wieder an der Zeit, die Werbung als künstlerische Technik und Sprache zu verwenden. Das knallt! Ist aber nicht eruptiv. Denn es ist auch ein sich in den eigenen Schwanz beißendes System. Und all diejenigen, die diese Biennale so arm an schönen Bildern fanden, tanzen dann erst recht auf dem Vulkan. Wir können also getrost weiter und parallel dazu unsere Mandalas malen und Stöcke verbauen, oder es feiern, dass wir den Durchschnitt leben.
Marlene
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Liebe Barbara,
warum denkst du, dass die ganz neuen Trends besonders ein sehr junges Publikum ansprechen? Obwohl sie von älteren gemacht werden! Siehe Vêtements und auch diese Biennale. Als Kind der 90er-Jahre kann ich viele stilistische Aspekte ganz und gar nicht gut verdauen. Ich denke es geht vielen so. Auf vielen Bildern von Aktionen der Biennale sind nur ganz junge, wie aus den 90ern hergebeamte Menschen zu sehen. Warum schafft sich die Biennale ein solches Image?
Liebe Grüße, Marlene
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Gesendet: 19. August 2016 um 08:55 Uhr
Von: Barbara Buchmaier
An: Marlene Zoe Burz
Liebe Marlene,
ich teile auch die Beobachtung, dass die neuesten Trends, die die Biennale mit den ausgewählten Künstler/innen ganz bewusst vorführen und an ein Limit führen will, vor allem ein junges Publikum ansprechen – aber nicht nur. Warum das so ist? Vermutlich, weil grade die jungen Leute da am nähesten dran sind, sie sind mit und auch im Internet und mit all seinen Folge- und Begleiterscheinungen aufgewachsen, kennen selber nicht mehr das Leben, die typischen Werbestrategien, die Kunstauffassungen von davor – und so möglicherweise auch nicht mehr bestimmte Differenzierungen, nicht mehr den (heute natürlich kaum mehr intakten) Glauben an ein Außen, an ein Potenzial von Kritik – vielleicht täusche ich mich da aber auch. Aber ich denke, dass sie gleichzeitig nach Lösungen, nach Auswegen aus der vermutlich auch von ihnen empfundenen „Krise“ suchen und deshalb eben auch wieder wissen wollen, was z.B. DIS ihnen da anbietet. Und zur Biennale zu gehen und darüber zu sprechen, gehört ja irgendwie auch dazu zum Style – ob man es dann gut findet oder nicht … Abgesehen davon habe ich auch junge Leute getroffen, die wenig mit der Biennale anfangen können, genauso wie viele ältere damit oft ein Problem haben – wo ist da jetzt die Kunst …? –, aber auch da gibt es Ausnahmen. Ich habe den Eindruck, dass viele auch Ältere genau diese Biennale besser finden als die vergangenen, weil es um etwas geht, auch wenn das erstmal nicht leicht zu verdauen ist und zunächst oder endlich wieder eine Herausforderung darstellt … Und man muss ja auch schon genau hinschauen … Es wäre sicher eine interessante Sache, zu dokumentieren, wie ältere Leute durch die Biennale gehen …
Habe eben noch mal nachrecherchiert: lt. Kunstforum International ist Marco Roso, der älteste der DIS-Kurator/innen, 42 Jahre alt, Lauren Boyle und Solomon Chase sind beide 31, David Toro ist 34. Ihr Durchschnittsalter beträgt also 34,5 Jahre; zwischen Boyle/Chase und Roso liegen 11 Jahre. 11 Jahre, in denen sich vieles verändert hat. Ich erinnere mich, dass im Gespräch mit diversen Leuten Irritation aufkam, man hatte gedacht, die Kurator/innen wären deutlich jünger …
Und wie alt ist eigentlich Demna Gvasalia [Vêtements/Balenciaga]? Lt. Wikipedia wurde er 1981 geboren. Das heißt er ist jetzt 35, sehr ähnlich also dem Durchschnittsalter der DIS-Kurator/innen.
Tatsächlich dachte ich kurz vor dem Hype um Vêtements immer wieder über einzelne (in die Jahre gekommene) Kleidungsstücke von Martin Margiela (*1957) nach – sie kamen mir ganz alt vor, und sie an anderen zu sehen oder sie selbst anzuziehen, schien mir fast unerträglich – als würde man sich selbst einen Stempel geben, zu einer Generation der kritischen Dekonstruktion zu gehören, die total out, ja total unattraktiv geworden ist. Total weg von der Gegenwart, irgendwie fast lächerlich.
Und dann plötzlich Vêtements, mit teils (sehr) ähnlichen Schnitten und Konzepten …
Ich hätte es toll gefunden, wenn Vêtements Teil der Berlin Biennale gewesen wäre. Die Sachen von Telfar finde ich zwar ganz interessant, aber viel weniger „radikal“, wenn man dieses Wort benutzen möchte. Ich bin gespannt, wie lange sich der Hype um Vêtements (und Gvasalia für Balenciaga) halten wird – aber die haben jetzt ja schon einige(s) erreicht mit ihrem exklusiven, offensichtlich heißbegehrten 90er/0er-Backlash – sei es nun authentisch oder doch nur eine neue Marketingstrategie … Let’s dress up.
Beste Grüße und einen schönen Urlaub noch,
Barbara
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Dieser Emailaustausch entwickelte sich im Rahmen des von Barbara Buchmaier geleiteten Workshops „Sound and Echo“ an der Weißensee Kunsthochschule Berlin im Sommersemester 2016.
Foto: Soline Krug
Foto: Barbara Buchmaier