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The History of Painting Revisited
Caro Bittermann, Katrin Plavčak und Claudia Zweifel
2016:September //
Christoph Bannat
The History of Painting Revisited / 2016:September
„Es geht um Malerei und einen Mehrwert für alle!“
Am Anfang erst einige Basics, die die Leser wissen sollten.
1. Wie habt ihr Euch gefunden?
Wir kennen uns aus der Berliner Kunstszene. Das Projekt THE HISTORY OF PAINTING REVISITED ist aus der Lecture-Performance entstanden, die Katrin Plavčak gemeinsam mit Antje Majewskj und der feministischen Künstlergruppe ff in der Deutschen Bank Kunsthalle, mit anschließendem Protestmarsch zur alten Nationalgalerie, 2013 organisiert hat. 18 Künstlerinnen und Künstler stellten Malerinnen aus der Kunstgeschichte vor.
2. Gab es so etwas wie eine Initialzündung,
ein Ereignis vielleicht?
Am gleichen Abend haben wir zu dritt den Entschluss gefasst, diese Informationen auf einer Webseite zu sammeln, ähnlich einem Archiv.
3. Was würdet ihr sagen, ist euch allen gemein,
wo trefft ihr Euch?
In der Malerei.
4. Wie würdet ihr euch selbst bezeichnen? Als Band, Gang,
Zusammenschluss, Medienverbund, Selbsthilfegruppe …?
Wir sind die Gründerinnen und Organisatorinnen von THE HISTORY OF PAINTING REVISITED.weebly.com.
5. Ist die Website euer zentrales Anliegen?
Zu Beginn war unser zentrales Anliegen das Sammeln und Verbreiten von Wissen über Malerinnen aus der Kunstgeschichte. Mit der Zeit wurde uns klar, dass es sich hier um eine komplexe Materie handelt, die sich nicht nur durch Biografien beschreiben lässt.
Im Augenblick ist die Website die beste Plattform, das zu vermitteln und Leute zusammenzubringen, die sich dafür interessieren. Daraus ergaben sich Texte von KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen, die sehr unterschiedlich sind.
6. Was macht ihr noch unter dem Namen T.H.O.P.R.?
Vorträge, Inserate, Präsentationen und Installationen …
7. Gibt es einen Grund, warum gerade jetzt?
Es hat immer wieder die Beschäftigung mit der Abwesenheit der Malerinnen gegeben. Selbst wenn es dadurch bis jetzt keine nachhaltige Einschreibung in den Kanon bewirkt hat. Bei uns und KollegInnen bestand ein Informationsdefizit; durch das Internet ist es jetzt immer leichter geworden, Wissen zu finden und zu teilen.
8. Habt ihr eine Idee, wie es weiter geht, gehen könnte?
Wir haben gerade das Recherchestipendium des Berliner Senats erhalten. Das ermöglicht uns, die Texte auf der Website ins Englische zu übersetzen und uns damit besser international zu vernetzen. Und es soll künftig Texte geben, deren Auseinandersetzung spezifischer ist; beispielsweise über ein Bild einer Malerin oder die Zusammenarbeit der Malerin mit anderen KünstlerInnen.
9. Welche Rolle spielt T.H.O.P.R. für eure künstlerische Arbeit, beeinflusst sie diese und wenn ja, in welcher Form?
Uns gemeinsam ist eine feministische Haltung und deswegen ein Interesse an weiblichen Positionen in der Malerei. Katrin Plavčak und Caro Bittermann haben sich unter anderem künstlerisch mit Malerinnen aus der Kunstgeschichte schon vor der Gründung der Website auseinandergesetzt; für Claudia Zweifel steht die Forschung im Vordergrund.
Interview
Christoph Bannat, fragt sich zunächst selbst:
Wo fangen wir an? Bei Männern, bei Frauen? Beim Sex? Also dort wo sie/sie miteinander in Affekten sprechen? Wo es ursprünglich und wütend wird? Oder bleiben wir im Wörtlichen? Sind Bilder nicht auch immer Affekte? Und provozieren sie deshalb Worte? Oder fangen wir beim mentalen (sozialen?) Kapital, bei der Beachtung an? Also, wer als erster und in welcher Form be(ob)achtet wird? Wir kennen das z.B. vom Sozialgetümmel der Kunsthochschulen. Wer z.B. vom Staat Kredit (in Form von Stipendien, Preisen etc.) bekommt. Verbunden mit der Frage, wie dieser Kredit dann umgemünzt wird, in Geld und Posten. Dabei entscheidet oft auch eine männliche Blickpolitik der Be- und Missachtung. Eine, die Frauen ihr Leben lang begleitet. Entsteht hier der Wille, die Blicke einmal selbst choreografieren zu können, indem man selbst Bilder, diese blinden Spiegel, herstellt? Geht es hier um Kunst; diese ironische Wirklichkeit? Also um den Überflug übers Reale, meint: Ironie als luftiges Erheben über die Realität, mit der Gefahr abzustürzen. Oder geht es hier ums Schwimmen in Engagement, mit der Gefahr zu ertrinken? Oder geht es um Malerei, dem mehr oder weniger virtuosen Verteilen von pigmentiertem Schlamm auf einer Fläche?
1. Wo fangen wir an? Bei Männern, bei Frauen?
Claudia Zweifel / Weder noch. In unserem Projekt geht es um Malerinnen und ihre Bilder, ihre Arbeiten. Die Personengruppe, die eine malerische Bildperspektive ausführt, macht einen relativ winzig kleinen Teil der Menschheit aus. Sie repräsentiert nicht den Menschen und sein Geschlecht per se. Nur, ich schaue in die Kunstgeschichtsbücher hinein, und eine gähnende Leere schaut zurück. Leicht wütend darüber oder auch gekränkt, dass ich keine Malerinnen in der Vergangenheit vorfinde, entwickelt sich schließlich daraus ein Interesse herauszufinden, was nicht Teil des Machtgefüges und seiner Energie war. Was sozusagen unsichtbar wurde, durch den Fokus auf anderes, und damit gewollt und ungewollt nicht in die Geschichtsbücher mitaufgenommen wird. Nun kann man das bedauern, man kann aber auch den Faden wieder aufnehmen und ein neues Vokabular und Kriterien schaffen.
Caro Bittermann / Malerei und ihre Geschichte ist die Blickrichtung, in die wir schauen. Der Streit darüber, wer wann was zuerst gemalt hat, um höchste Bedeutung im kunsthistorischen Kanon zu erzielen, ist für uns ohne größere Relevanz. Da es bis vor wenigen Jahren die männlichen Maler waren, die den Kanon bestimmten, interessieren uns jetzt Malerinnen, auch um das Terrain zu vergrößern, Positionen zu entdecken, die wenig oder gar nicht beleuchtet waren, aber auch schon bekannte Malerinnen von anderen Seiten sichtbar zu machen. Die Kriterien für die Terrainerweiterungen sind permanent in Bewegung. Der Anspruch beim Aufbau unserer Seite ist ein künstlerischer, aber der wissenschaftliche Aspekt von Überprüfbarkeit von Material und Interpretation bleibt Grundlage des Diskurses.
Mich interessiert beispielsweise das Vorgehen von Winifred Knights, die ihre eigenen Kleider entwarf und trug, um diesen strengen Stil dann an den Figuren in ihren Bilden weiter zu führen. Dieser Ansatz, der heute im Rahmen der Entgrenzung von medialen Festschreibungen durchaus ein ernstzunehmendes Unterfangen wäre, wurde damals als „weiblich/weibisch“, weil von der eigenen Person ausgehend, geschmäht. Sie starb jung und geriet trotz einer gewissen Bekanntheit als erste englische Rom-Stipendiatin schnell in Vergessenheit. Zu sehen, dass zu einer Zeit, als dieser Ansatz noch gar nicht verstanden wurde, trotzdem eine Malerin so gearbeitet hat, finde ich inspirierend. Dieses Prinzip, Kriterien von heute auf Positionen in der jüngeren Malerei-Geschichte anzuwenden, erweitert das Blickfeld.
Katrin Plavčak / Fangen wir bei der unterschiedlichen Bemerkung und Bewertung ihrer Leistungen an. So wie Frauen in Deutschland heutzutage für die gleiche Arbeit durchschnittlich 20% weniger Lohn als Männer bekommen, wurde (und wird) auch ihre Leistung in der Kunst weniger honoriert. Equal Pay Day ist angesagt! Im Kunstgeschichtskanon fehlen so viele Malerinnen; ihre Positionen werden marginalisiert und als weniger wichtig dargestellt. Wissenschaftlichkeit sieht anders aus.
2. Beim Sex? Also dort wo sie/sie miteinander in Affekten sprechen? Wo es ursprünglich und wütend wird? Oder bleiben wir im Wörtlichen?
Zweifel / Hier möchte ich eher auf den Begriff der Willkür kommen. Ein Readymade ist an sich langweilig, weil Gegenstände um uns herum nur selten größere Beachtung als einen kurzen oder langen Blick finden. Das Readymade hat nur deshalb einen solch guten Ruf, weil es durch seine Radikalität intellektuell geworden ist und gleichzeitig Sex ist. Duchamp ist Sex. Marianne von Werefkin ist bespielsweise kein Sex. Obwohl sie es sein könnte, aber ihrem Werk fehlt die Leichtigkeit des Momentes, wenn es auch verspielt ist. Die Felltasse von Oppenheim ist in ihrer Rezeption ein Werk des Affektes, und deshalb ist ihre Ausstrahlung genauso verführerisch wie das Pissoir mit Unterschrift.
Bittermann / Die Darstellung des nackten Körpers war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Privileg männlicher Maler und Bildhauer. Frauen wurde bis dahin der Zugang zu den Akademien und ihren Aktsälen verwehrt. Sie mussten sich selber behelfen, wollten sie das anatomische, heroische oder sinnliche Erlebnis der Aktmalerei mit ihrem eigenen Talent ergründen. Wie die Renaissance-Malerin Artemisia Gentileschi, die schon in ihrer Pubertät sich selbst im Spiegel betrachtete und malte und diese Praxis bis spät in ihrer langen Karriere weiterverfolgte. Die Sinnlichkeit ihrer Akte und die Beziehungsintensität ihrer Mutter-Kind-Darstellungen erreichten auch dadurch eine so große Aufmerksamkeit, weil ihr Blick so verschieden war von dem der Männer – sie hatte einfach den direkteren lebenserfahreneren Zugang zum Dargestellten.
Plavčak / Wenn man beim Sex wütend wird, sollte man was ändern, Wut ist da ein guter Gradmesser. Ja es macht mich wütend, wenn ich sehe, wie Malerinnen in der Vergangenheit und auch immer wieder in der Gegenwart als „nicht so gut“ wie die männlichen Kollegen bezeichnet werden.
Die Geschlechter haben sich immer auch gemeinsam im Kreativen potenziert, gefordert, gefördert und aneinander aufgerieben. Bei Künstlerpaaren wie zum Beispiel Sophie Täuber und Hans Arp, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky, Paula Modersohn-Becker und Otto Modersohn, Sonia und Robert Delauny, Aleksandr Rodchenko und Varvara Stepanova, Lee Krasner und Jackson Pollock wird oft die männlich Position als die wichtigere dargestellt.
Dabei waren Malerinnen oft mit malenden Männern liiert, die selbst wenig bekannt waren, wie z.B. Rachel Ruysch verheiratet mit dem Maler Juriaen Pool, deren Bilder um den vierfachen Wert von Rembrandts Bildern gehandelt wurden, oder auch Maria Sibylla Merian, die sich im 17. Jahrhundert von ihrem malenden Mann Johann Andreas Graff abgewandt hat und mit ihren zwei Töchtern nach Amsterdam ging, um kurz darauf mit dem Schiff auf eine Expedition nach Surinam aufzubrechen.
3. Sind Bilder nicht auch immer Affekte? Und provozieren sie deshalb Worte?
Zweifel / Dem würde ich widersprechen. Nicht alle Bilder sind aus dem Affekt heraus gemalt. Deshalb sind Bilder nicht Affekte. Aber sie provozieren offensichtlich Worte und daraus entstehen Beschreibungen und Ideologien, Werte, Kriterien. Sie bilden aber auch Zustimmung und Diversität in ihrer Beschreibung. Verwandtschaften der Gefühle, der Wahrnehmung, des Sehens.
Bittermann / „Gemälde“ würde ich da lieber sagen, um im Rahmen unseres Gesprächs zu bleiben, sind Artefakte, Träger von Vorsprachlichem und auch Nachsprachlichem. Dazwischen erzeugen sie Worte, können aber auch Worte zum Inhalt haben. Und Worte können ebenfalls den Sprung ins Bildliche gemacht und so eine andere Lesbarkeit erhalten haben. Gemälde changieren ständig zwischen diesen Phänomenen. Fest steht, dass das eine nicht durch das andere zu ersetzen ist, so sehr der ideologische Streit, der auf dem Höhepunkt die berühmte „Dummheit der Maler“ hervorgebracht hat, das auch erzwingen will.
Plavčak / „In the heat of the moment“ entsteht selten ein Bild, das dauert meistens länger. Umgekehrt entstehen Bilder oft aus Worten, wie mir scheint.
4. Oder fangen wir beim mentalen (sozialen?) Kapital an? Bei der Beachtung? Wer als erster und in welcher Form be(ob)achtet wird?
Bittermann / Die Mehrheit der Malerinnen auf der Website hat einen Sonderstatus in ihrer Zeit, berühmte Ausnahmen in einer Masse von vorverurteilten Frauen, die sich auf das „Dilettieren“ beschränken mussten. Schuld an diesem Dilemma sind die jeweiligen Gesellschafts- und Religionssysteme, die Frauen grundsätzlich den Zugang zu den Ressourcen von (Aus)Bildung und Eigenkapital versperrten. Ausnahmen waren Malerfamilien, in denen Töchter oft neben den Söhnen in der Werkstatt des Vaters mitarbeiteten und dann aufgrund eines hervorstechenden Talents unter günstigen Bedingungen weitergefördert wurden. Aber diese förderlichen Bedingungen reichten meist nicht aus, die Hürde der seit Vasari auf eine Beweihräucherung „Großer Maler“ eingeschworene Kunstgeschichtsschreibung zu nehmen. Schnelles Vergessen von Frauennamen war bis zu den Anfängen der feministischen Kunstgeschichts-(Um-)Schreibung der Status quo. Ausnahmen waren auch immer nur dann nennenswert, wenn sie „so gut wie ihr Vater, Onkel oder Bruder und Cousin“ malten. Ein Maler ohne große Männer-Genealogie ist nämlich eigentlich kein Maler. Und das obwohl es einige Hofmalerinnen im 18. und 19. Jahrhundert gegeben hat – auch diese Namen gerieten in Vergessenheit, weil niemand ein Interesse daran hatte, sie in den männlichen Kanon einzureihen.
Plavčak / Beachtet wurden die Malerinnen der vergangenen Jahrhunderte auch zu ihrer Zeit, danach jedoch relativ schnell vergessen. Wenn Anthony van Dyck 1624 Sofonisba Anguissola seine Aufwartung macht, dann weil er eine Malerin treffen und porträtieren will, die ihm viel bedeutet. Um die Erinnerung an sie festzuhalten. Auch sie selbst hat noch ein Porträt von sich im hohen Alter hergestellt, ganz ohne Eitelkeit.
5. Anders: Es gibt eine männliche Blickpolitik der Beachtung und der Missachtung, der Frauen ihr Leben lang begleitet?
Zweifel / Mit deiner Frage setzt du voraus, dass es keine weibliche Blickpolitik gibt. Du vergisst, dass eine solche Blickpolitik ebenfalls existiert, nur ist sie möglicherweise nicht so populär oder wird generell nicht als anwesend empfunden. Dieselbe Annahme existiert übrigens mit den Malerinnen. Man muss diese Malerinnen nicht der Gerechtigkeit wegen heraufbeschwören. Sie waren ja da und haben ein Werk hinterlassen. Trotzdem glauben viele, es hätte keine Malerinnen in der Kunstgeschichte gegeben, außer Käthe Kollwitz und Frida Kahlo.
Bittermann / Deine Frage vermischt den Inhalt der Website mit unserem eigenen malerischen Anliegen. Als zeitgenössische Malerinnen sind wir natürlich mit der Aufmerksamkeitspolitik unserer Zeit konfrontiert und jede von uns hat ihre eigenen Strategien, damit umzugehen. Als Initiatorinnen dieser Website versuchen wir allerdings, die Blicke des Internet-Publikums in der Form zu „choreografieren“, dass wir durch die Struktur der Seite und durch die Auswahl der AutorInnen eine Öffnung erzeugen. Eine Öffnung hin zur Bewusstwerdung des vormals Unsichtbaren und der Neubewertung von traditionellen Maler-Genealogien. Wenn also eine Malerin wie Hilma af Klint beschließt, dass ein heimlich entstandenes Werk erst 20 Jahre nach ihrem Tod der Öffentlichkeit gezeigt werden darf, weil sie ihre eigene Zeit nicht für reif genug hielt, diese geheimen Gemälde angemessen zu rezipieren, dann ist das eine Strategie, die vom unmittelbaren Beachtung-Heischen im Hier und Jetzt Abstand nimmt und eine nicht auf das eigene Ego bezogene Vorstellung von Malereigeschichte impliziert.
Plavčak / Sehr interessant ist hier das von Sofonisba Anguissola gemalte Bild, welches ihren Lehrer Bernardino Campi zeigt, wie er ein Porträt von ihr anfertigt. Weil du eben von der Choreografie der Blicke gesprochen hast. Dass Bilder blinde Spiegel sind, würde ich nicht sagen. Im Gegenteil erzählen die Selbstporträts und die Gemälde der Künstlerinnen sehr vielgestalt aus der Geschichte heraus. In ihren Selbstporträts stellen sich die Malerinnen selbstbewusst mit den Attributen ihrer Zunft, mit einem Musikinstrument oder wissenschaftlichen Attributen dar, Zeichen umfassender musischer Talente und guter Bildung. Auf den Bildern im Hintergrund dieser Porträts ist manchmal zu sehen, welches Terrain sie gerade erobern: z.B. religiöse Themen oder Kampfdarstellungen, die lange Zeit Männerdomänen waren.
Interessant ist auch, die anderen Blickrichtungen von Malerinnen im Unterschied zu den männlichen Kollegen zu entdecken. Sei es deswegen, weil sie aus der Not heraus erfinderisch werden mussten z.B. bei der Umsetzung eines Aktes oder aus der gesellschaftlichen Realität heraus, in der sich die Malerinnen in diesen ihren Zeiten befunden haben. Weil man sich als Frau nicht in den Toulouse-Lautrec’schen Tanzetablissements rumtreiben konnte, hat man sich anderen Themen zugewandt und eher private Szenen gewählt, die von der Lebenswelt der Frauen erzählen und auch nicht ohne erotische Spannung sind.
6. Geht es hier um Kunst; diese ironische Wirklichkeit? Also um den Überflug übers Reale. Um Ironie und Engagement?
Zweifel / Welche Art von Engagement meinst du? Kunst muss kein Erheben über die Realität darstellen, sondern ist eine mögliche Form des Sehens und Wahrnehmens, ohne dabei festgeschriebene Regeln zu befolgen. Da gibt es kein Abstürzen, die einzige Gefahr ist, dass es keine oder zuviel Beachtung findet. Ganz schön luftig sind dann eher die Formen der Bewertung und Texte über Kunst, wie zum Beispiel Pressetexte.
Bittermann / Ironie ist ja eine relativ junge künstlerische Strategie, die in der Romantik erstmals so richtig zum Einsatz kam. Sie ist aber nur eine Möglichkeit, Kritik zu üben am Realen. In unserem Zusammenhang spielt sie eher eine untergeordnete Rolle. Wenn auch einige der beschriebenen Werke einen guten Humor der jeweiligen Malerin vermuten lassen. Wen meinst du? Uns, die wir im Engagement ertrinken oder die Malerinnen in der Geschichte? Wenn du uns meinst, dann würde ich das nicht als Engagement bezeichnen und schon gar nicht als Ertrinken, sondern als einen von Neugier getriebenen, lustvollen Ausflug in die Geschichte, mit der Chance, Gemälde zu entdecken, die das langweilige Argumentieren mit „Größe“, das der männlich konnotierten Kunstgeschichte so wichtig ist, unwirksam machen.
7. Oder geht es um Malerei, dem mehr oder weniger virtuosen Verteilen von pigmentiertem Schlamm auf einer Fläche?
Zweifel / Interessant wird es, wenn die Malerei vermehrt in den Vordergrund tritt und quasi die Biografien mit aufnimmt, und nicht umgekehrt. Biografie ist eine Erzählstruktur in mehreren Akten, welche die Höhepunkte prä-mortem herausarbeitet. Sie ist eine Erfindung und Konstruktion, und dadurch der Kunst sehr ähnlich.
Bittermann / Auch beim Schlamm gilt, wie bei Ironie und Konzeptualität: die reine Befragung des Materials ist eine Weise, sich dem Medium Malerei zu nähern und hat genauso seine Berechtigung wie eine narrativ in Szene gesetzte Selbstbefragung, die die Nachbardisziplinen Musik und Theater im Malerischen verankert, um das Spektrum der sinnlich erfahrbaren Innenwelt so breit wie möglich anzulegen – eine Vorgehensweise, die wir beispielsweise in Charlotte Salomons Zyklus von über 1300 Gouachen finden, die sie bis kurz vor ihrem Tod in einem Konzentrationslager immer weiter trieb.
Schlamm lässt an Urschlamm denken und verbindet sich assoziativ mit der Vorstellung von der existentiell notwendigen, malerischen Geste, die durch nichts anderes zu ersetzen ist und die vollzogen wird, ob nun das Versprechen der öffentlichen Anerkennung eingelöst wird oder nicht.
Plavčak / Es geht um Malerei und einen Mehrwert für alle! Es gibt hier einen Schatz zu heben.
So wie Gesellschaften sehr davon profitieren, wenn sie Frauen gerechten Anteil nehmen lassen an allen Lebensbereichen, wird die Kunstgeschichte bereichert. Diese Malerinnen sind Rolemodels für kommende Malerinnen und machen die Kunstgeschichte bunter, interessanter und vor allem vollständiger. Die Wissenschaft sollte diese schwarzen Löcher diesmal nicht übersehen. Wir Malenden sind ständig auf der Suche nach guten Bildern; Vergangenheit und Gegenwart. Wir freuen uns wie die Schneeköniginnen und Schneekönige über jede neue Entdeckung.
Screenshots http://thehistoryofpaintingrevisited.weebly.com/