Einige lose Gedanken…

…über Kunstmachen mit dem Computer, Installationsfotos und Ausstellungengucken auf dem Handy

2016:April // Michael Pohl

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04-2016

Manchmal muss ich an die international erfolgreiche Galeristin denken, die mir einmal erklärt hat, wenn sie es nicht tun müsse, um bei Messen angenommen zu werden, würde sie in ihrer Galerie überhaupt keine Ausstellungen mehr machen. Das lohne sich einfach nicht.
Viele junge Künstlerinnen und Künstler scheinen ein ähnliches Problem zu haben: Um in der Kunstwelt anerkannt zu werden (und natürlich auch um am Markt stattzufinden), müssen ihre Arbeiten in Räumen herumstehen oder -hängen.
2013 habe ich unter dem Titel „the.space“ eine Reihe von zehn Ausstellungen mit Künstlerinnen und Künstlern organisiert, die ausschließlich online stattfanden. Jede hatte einen Beginn und ein Ende, und nur innerhalb dieses Zeitrahmens war die Arbeit zu sehen, danach wurde sie wieder vom Netz genommen. Zur Vernissage wurde die Website mit dem Kunstwerk mittels Beamer auf eine Wand projiziert. Es handelte sich um einen unbeholfenen Versuch, die Vorteile des Internets für die Kunstproduktion mit den Nachteilen des Realraumes zu verbinden. Die entstandenen Werke waren höchst divers: Während ein Künstler über 50 virtuell begehbare Museumsentwürfe präsentierte, produzierte eine andere einen Online-Vortrag über den gesellschaftlichen Wert von Online-Vorträgen, ein weiterer konstruierte einen digitalen White Cube, in dem man sich die Profilfotos all seiner Facebook-Freundinnen ansehen konnte usw.
Da alle Arbeiten von vornherein als endlich und immateriell angelegt waren, klammerte das Projekt ein Problem aus, das immer häufiger zu werden scheint: Wie soll man sein Werk ausstellen, wenn mehr und mehr Kunst am Rechner entsteht, und wie kriegt man sie da raus? Ob man z.B. die gerade fertig gewordene digitale Collage im Leuchtkasten, als Teppich oder als LKW-Plane über eine Stange gehängt präsentiert, erscheint da häufig wie eine ziemlich willkürlich getroffene Entscheidung. Spektakulär sollte es aussehen und dynamisch. Eben wie Kunst. Damit das mit ein bisschen Glück auch mal bei „Contemporary Art Daily“ gefeatured wird.
Immer mal wieder steht der Vorwurf im Raum, Künstlerinnen und Künstler würden so produzieren, dass die Werke auf Abbildungen besonders gut rüberkommen; besuche man dann die tatsächliche Ausstellung, wirkten sie oft dröge und halbherzig ausgeführt. Vielleicht stimmt das. Dem ein oder anderen angesagten „Post-Internet“-Künstler wurde auch schon eine etwas zu hohe Diskrepanz zwischen den nachbearbeiteten, aufgedrehten „installation shots“ und der eher blutleeren tatsächlichen Präsentation vorgeworfen.
Allmählich produziert die ständige Verfügbarkeit im Netz einen neuen Umgang nicht nur mit Abbildungen, sondern auch mit Kunst; die Künstlerin, die in der Google-Bildersuche dutzende hervorragender Ausstellungsansichten vorzuweisen hat, wird gleich ganz anders wahrgenommen als der, der seine Arbeiten ausschließlich vor der immer gleichen Atelierwand hat ablichten müssen. Und der Sammler, der sich nach der Begutachtung des Werkes bei Instagram oder auf dem iPad des Galeristen zum Kauf entscheidet, kommt ebenfalls immer häufiger vor. Sicher hat auch der ein oder andere Künstler schon sein Werk vom besten Platz im Raum lieber an den zweitbesten gerückt, damit hinterher das Foto stimmt. Denn das – gerade in Berlins prekärer Projektraum-Welt – ist ja am Ende doch das Einzige, was davon bleibt.
Oft genug hört man Künstlerinnen oder Künstler sagen, es komme zwar nichts dabei rum, an diesem oder jenen Ort auszustellen, aber wenigstens könne man dort dann die dringend benötigten Fotos von der Arbeit machen – vielleicht ist inzwischen das Künstlerportfolio, aber auch die Website der Galerie oder des Projektraums also eine Art Ausstellung zweiter Ordnung: eine Präsentation von Situationen, in denen die originären Werke ausgestellt gewesen waren. Und dass es diese Situationen wirklich gegeben hat, belegt deren (künstlerischen) Wert. Ist die Ausstellung selbst dadurch vielleicht nurmehr eine Krücke, die auf dem Weg zum eigentlichen Ziel, zum Beispiel dem Verkauf an einen Sammler auf der Kunstmesse als notwendiges Übel in Kauf genommen werden muss? Und was bedeutet es, wenn wir, um uns eine Meinung zu bilden, am Ende ein digitales Bild betrachten, das uns ein anderes digitales Bild (das Kunstwerk) zeigt, wie es in einem Ausstellungsraum herumsteht?
Manche inkorporieren das Installationsfoto gleich direkt in ihre künstlerische Produktion, wie etwa der gehypte Artie Vierkant, dessen „image objects“ in immer neuen Versionen aus den Installationsansichten der vorherigen Präsentation erzeugt werden. Oder „New Scenario“, ein Projekt der beiden Berliner Künstler Paul Barsch und Tilman Hornig, innerhalb dessen sie Ausstellungen in vorgefundenen oder selbstgebauten Settings inszenieren, die dem Betrachter nur noch in der fotografischen Dokumentation überhaupt zugänglich gemacht werden. Lustigerweise sieht man hier zum großen Teil Malerei.
So kann man zumindest das Problem umgehen, das die eingangs erwähnte Galeristin sicher auch plagt: Zwar ist zur Eröffnung in der Regel die Bude voll, aber in den Wochen danach interessiert sich nur noch eine Handvoll Besucher für das mit großem Aufwand Aufgebaute.
Am Ende ist das Wichtigste wohl doch, beweisen zu können, dass die Show stattgefunden hat. So wird dann auch die nichtdigitale Kunst digital – sie wird zur Abbildung im Netz, denn über Facebook und Instagram bekommen wesentlich mehr Menschen wesentlich schneller davon mit, als sie tatsächlich je vor Ort sehen werden. Sicher wird unausweichlich immer mehr Kunst „zuhause an den Geräten“ konsumiert werden, und daher nicht nur der Blick des Betrachters, sondern auch die künstlerische Produktion selbst sich mehr und mehr darauf einstellen. Und wenn auch die Agenten der Künstler, die Galeristen, das Interesse an der Ausstellung verlieren – weil sie sich finanziell nicht lohnt, wenn man seine Kunden nur noch auf Messen treffen kann oder sie gleich online kaufen –, fällt noch ein weiterer Grund weg für Künstlerinnen und Künstler, überhaupt noch so zu denken. Zumindest für die, deren Arbeit eigentlich gar nicht richtig weiß, wie sie im Realraum dargereicht werden soll, ist das vielleicht auch eine Chance.