Im Oktober letzten Jahres feierte das Berliner Künstlerinnenförderprogramm „Goldrausch“ sein 25-jähriges Jubiläum mit einer Ausstellung und Veranstaltungen im Studio 1 im Kunstquartier Bethanien. Gelegenheit zu fragen, ob das Weiterbildungsprojekt heute noch zeitgemäß ist oder ob sich die Bedürfnisse verschoben haben. Brauchen Frauen heute weiterhin ein eigenes Förderprogramm? Andersrum gefragt: Warum brauchen nur Frauen ein Professionalisierungsprogramm? Wäre es nicht zeitgemäßer, die Trennung in Geschlechter aufzulösen und das Programm für alle, die den Wunsch nach Professionalisierung haben, zu öffnen? Dann verlöre das Programm zwar seinen exklusiven – aber auch seinen ausschließenden Charakter. Zudem wäre zu überlegen, ob das einjährige, verbindliche Programm nicht modularer gestaltet werden könnte. Wenn die Angebote von Goldrausch bereits an die Kunsthochschulen und in die Künstler-Berufsverbände verlagert werden würden, könnte sich Goldrausch voll und ganz auf den Aspekt der Vernetzung konzentrieren. Der Erfolg des Netzwerks „Saloon“ für Frauen, die in der Berliner Kunstbranche arbeiten, zeigt, dass der Wunsch nach Erfahrungsaustausch und Vernetzung enorm ist.
Bei der im Rahmen der Ausstellung stattfindenden Veranstaltung „Künstlerinnen heute“ wurden einige der hier gestellten Fragen diskutiert, doch ging es primär um die Situationen von Frauen im heutigen Kunstfeld. Einig war man sich darüber, dass sich deren Lage seit den wütenden Anfangszeiten verändert hat: der Kunstmarkt ist durchlässiger geworden, Frauen sind nicht mehr auf ein spezifisches Medium oder Thema festgelegt, und es gibt mehr weibliche Protagonistinnen im Kunstfeld, die ihre Stellung nutzen, um ein gendersensibles Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm zu machen. Doch sind gleichzeitig die Ausschlüsse subtiler geworden, gibt es immer noch Unterschiede in der Honorierung.
Bei der Diskussion war es interessant zu beobachten, wie unterschiedlich jeweils über das Thema gesprochen wurde. Das lag sowohl an den Altersunterschieden als auch an den unterschiedlich langen Erfahrungen mit Lobbyarbeit, die die Beteiligten mitbrachten: Pauschalisierender und vager Politikerinnensprech (Barbara Loth – Staatssekretärin in der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen) traf auf differenziertes Problembewusstsein (Kathrin Röggla – Autorin, Vizepräsidentin Akademie der Künste) und praxisnahe Vorschläge (Sofia Hultén – Künstlerin, Ex-Goldrauschstipendiatin).
Am Ende entstand bei mir der Eindruck, dass viele der angesprochenen Problemstellungen nicht unbedingt eines 1-jährigen Künstlerinnenförderprogramms bräuchten, um angegangen zu werden. Und dass vor allem der Erfahrungsaustausch und die Vernetzung untereinander gestärkt werden sollten. Allerdings sollte dieses Angebot nicht auf Frauen begrenzt sein, sondern intersektionaler gedacht werden, um zum Beispiel Erfahrungen mit Diskriminierung und subtilen Feld-Ausgrenzungsmechanismen von trans-Menschen oder Menschen mit Migrationshintergrund einzubeziehen. Entscheidend ist es, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass es zwar noch tief eingeschriebene Rollenverständnisse gibt – wie Sofia Hultén anhand der Schilderung ihrer Erfahrungen des unterschiedlichen Umgangs mit den eigenen Arbeiten an der Kunsthochschule demonstrierte –, dass diese aber nicht unverrückbar sind und sich in den letzten Jahrzehnten markant verschoben haben. Statt also den Fokus auf mehr (technische) Professionalisierung zu setzen, sollte sich das Goldrauschprogramm meiner Meinung nach noch stärker darauf konzentrieren, einen Raum für Erfahrungsaustausch zu organisieren und „Empowerment“-Module zu moderieren – zu diesem Eindruck komme ich nach Gesprächen mit Künstlerinnen, (Ex-)-Stipendiatinnen und abgelehnten (frustrierten) Künstlern, aber auch nach reichlichen Überlegungen darüber, ob das Programm für mich Sinn machen würde oder nicht.
Hier ein paar Anregungen – an alle Künstlerinnen:
Für mehr Solidarität Künstlerinnen engagiert und verbündet euch! Es ist wichtig zu realisieren, dass frau mit ihren Erfahrungen nicht alleine ist und viele Probleme struktureller Art sind. Unterstützt euch gegenseitig, wenn ihr ähnliche Erfahrungen macht, tauscht euch aus, statt die Fehler bei euch selbst zu suchen! Werft einen Blick zurück – feministische Kämpfe gibt es schon lange – und traut euch Vorbilder (männliche und weibliche!) anzusprechen. Auch wenn sich die Forderungen zum Teil verändert haben, tut es gut, sich die Ahnenreihe der Vorkämpferinnen zu vergegenwärtigen.
Für mehr Egoismus Von Künstlerinnen höre ich immer wieder Äußerungen, in denen sie sich damit beschäftigen, wie sie von außen wahrgenommen werden: z.B. könnte man abgehoben wirken, wenn man zu hohe Preise ansetzt. Das sind merkwürdige Kleinmachmechanismen, die Frauen verlangsamen und die Karriere erschweren. Dabei hilft es, die Argumente umzukehren und höhere Preise mit einer erhöhten Wertschätzung der eigenen Arbeit zu übersetzen. Ich setzte höhere Preise an, weil ich es mir wert bin!
Für mehr Spaß Statt sich stundenlang in Selbstzweifeln zu wälzen und Vermutungen darüber anzustellen, wie der Galerist/Projektraumbetreiber/Kollege etwas gemeint haben könnte: macht euch frei vom Kreisen um die eigene Unzulänglichkeit und der Gedankenarbeit um andere. Widersteht auch der naheliegenden Versuchung, euch in Schimpftiraden auf die blöden Männern zu ergehen und euch ausführlich mit den Dingen zu beschäftigen, die nicht geklappt haben. Schaut lieber genau hin und überprüft eure Vorwürfe: habt ihr weniger verdient, weil euch weniger angeboten wurde oder weil ihr weniger verlangt habt? Ist das männliche Äquivalent erfolgreicher, weil es bessere Kunst macht oder weil er sich besser in Szene setzen kann? Was heißt „besser in Szene setzen“? Sich unangenehm in den Vordergrund drängen oder zum richtigen Zeitpunkt professionell vorbereitetes Material zur Hand zu haben?
Macht euch klar, wo ihr mit eurer Kunst hinwollt – geht es um finanziellen Erfolg und Sichtbarkeit oder um ein integeres Arbeiten-Können in der eigenen Geschwindigkeit und in einem angenehmen Umfeld? Wie schwierig es ist, eine eigene Haltung zu entwickelt, weil es beständig zwischen verschiedenen Interessen abzuwägen gilt, verdeutlichte die Schriftstellerin Kathrin Röggla bei der Podiumsdiskussion mit der schelmischen Forderung nach mehr Schlampigkeit. Sie erklärte diese Forderung damit, dass die Genauigkeit und Präzision, mit der viele Künstlerinnen arbeiten, für das Ergebnis oft von Vorteil sei, die damit einhergehende Langsamkeit im auf hohen Output angelegten Kunstfeld jedoch schnell in einen Nachteil umschlagen könne.
Macht euch auch klar, dass es eure bewusste Entscheidung ist, wie und in welchen Zusammenhängen ihr arbeitet. Und vermeidet dadurch das Gefühl den Mechanismen des Kunstfeldes hilflos ausgeliefert zu sein.
Für mehr Mut frau sollte nicht darauf warten, dass sie irgendwann entdeckt wird, sondern selber aktiv werden. Gründet neue Netzwerke oder engagiert euch in bereits vorhandenen Initiativen und Verbänden. Traut euch was zu! Probiert euch aus! Nutzt die Frei- und Möglichkeitsräume, die sich euch bieten und überwindet damit die immer noch strukturell bedingten und auf gesellschaftlichen Normierungen basierenden Geschlechterzuschreibungen.
Viele dieser Punkte stehen auf der Tagesordnung von Goldrausch, werden dort aber nur von einer ausgewählten Gruppe von Stipendiatinnen diskutiert und umgesetzt. Ich wäre dafür, diese Angebote und Diskussionen zu öffnen – und dabei von den langjährigen Erfahrungen der Goldrauschbetreiberinnen zu profitieren.
„25 Karat – Goldrausch 2015“, Studio 1 im Kunstquartier Bethanien, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin, 10.–25.10.2015
Ausstellungsansicht „25 Karat – Goldrausch“, Foto: Astrid Busch